Ueber Deutschland
das große Verdienst des deutschen Philosophen besteht darin, daß er die moralische Würde gehoben hat; dadurch nemlich, daß er allem Schönen des Herzens eine engverbundene Theorie zur Grundlage gegeben hat. Der Gegensatz, den man zwischen Vernunft und Gefühl zu bringen gesucht hat, führt die Vernunft nothwendig zum Egoismus, und das Gefühl eben so nothwendig zur Albernheit: aber Kant, welcher berufen schien, alle großen intellectuellen Bündnisse zu schließen, hat aus dem Gemüth einen Flammenpunct gemacht, wo alle Vermögen unter sich in Eintracht sind.
Der polemische Geist von Kants Werken, d. h. der, in welchem er die materialistische Philosophie angreift, würde an und für sich ein Meisterstück seyn. Diese Philosophie hatte in den Geistern so tiefe Wurzeln geschlagen, und es war aus ihr so viel Irreligion und Egoismus hervorgegangen, daß man alle Ursache hatte, diejenigen als Wohlthäter ihres Landes zu betrachten, die sie auch nur bestritten, und die Gedanken eines Platon, Descartes und Leibnitz von neuem belebten: aber die Philosophie der neuen deutschen Schule enthält eine Menge ganz eigenthümlicher Ideen; sie ist auf unermeßliche Erkenntnisse gegründet, die sich mit jedem Tage vermehrt haben, und auf eine Methode des Raisonnements, die auf eine ausgezeichnete Weise abstrakt und logisch ist. Denn obgleich Kant die Anwendung dieser Raisonnements auf Wahrheiten, welche außerhalb des Kreises der Erfahrung liegen, tadelt: so zeigt er doch in seinen Schriften eine Stärke des Kopfs im Fache der Metaphysik, die ihn in diesem Betracht den ersten Denkern gleichsetzet.
Man kann nicht läugnen, daß Kants Styl in der Kritik der reinen Vernunft alle die Vorwürfe verdient, die seine Gegner ihm gemacht haben. Er hat sich einer schwierigen Terminologie und des ermüdendsten Neologismus bedient; allein er lebte einsam mit seinen Gedanken, und überredete sich, daß man für neue Ideen neue Wörter brauche, ob es gleich für Alles Worte giebt.
Bei Gegenständen, welche durch sich selbst ganz klar sind, nimmt Kant bisweilen eine sehr dunkle Metaphysik zur Führerin, und nur bei den Dunkelheiten des Gedankens schwingt er eine strahlende Fackel, erinnernd an die Israeliten, welche des Nachts eine Flammensäule, des Tages eine Wolkensäule zur Führerin hatten.
In Frankreich würde sich niemand die Mühe gegeben haben, so von Schwierigkeiten strotzende Werke zu studiren, wie Kants Werke sind; aber er hatte es mit geduldigen und ausharrenden Lesern zu thun. Unstreitig war dies kein Grund, sie zu misbrauchen; vielleicht aber würde er in der Wissenschaft des menschlichen Verstandes nicht so tiefe Forschungen angestellt haben, wenn er auf die Ausdrücke, deren er sich bediente, größeres Gewicht gelegt hätte. Die alten Philosophen haben ihre Lehre immer in zwei wesentlich verschiedene Theile gesondert, nemlich in den, der für die Eingeweiheten, und in den, der für das Publikum bestimmt war. Kants Schreibart ist durchaus verschieden, wenn es auf seine Theorie, oder wenn es auf die Anwendung dieser Theorie ankommt.
In seinen metaphysischen Abhandlungen nimmt er die Wörter als Chiffern, und giebt ihnen einen beliebigen Werth, ohne sich um denjenigen zu bekümmern, den sie durch den Gebrauch haben. Dies ist, dünkt mich, ein großer Irrthum; denn die Aufmerksamkeit des Lesers erschöpft sich im Begreifen des Sprachgebrauchs, ehe er zu den Ideen gelangt, und das Bekannte dient nie zur Stufenleiter, um das Unbekannte zu erfassen.
Bei dem allen muß man Kant die Gerechtigkeit widerfahren lassen, die er, selbst als Schriftsteller verdient, wenn er seinem wissenschaftlichen Sprachgebrauch entsagt. Spricht er von den Künsten, besonders aber von der Moral, so ist sein Styl beinahe immer vollkommen klar, nachdrücklich und einfach. Wie bewundernswürdig erscheint alsdann seine Lehre! Wie herrlich drückt er das Gefühl des Schönen und die Liebe für die Pflicht aus! Mit welcher Stärke sondert er beides von aller Berechnung des Eigennutzes oder der Nützlichkeit! Wie veredelt er die Handlungen durch ihre Quelle und nicht durch ihren Erfolg! Kurz, welche moralische Größe versteht er dem Menschen zu geben, er mag ihn an und für sich, oder in seinen äusseren Beziehungen erforschen; den Menschen, diesen Verbannten des Himmels, so groß als Verbannter, so elend als Gefangener!
Aus Kants Schriften könnte man eine Menge glänzender Ideen über alle Gegenstände ziehen, und vielleicht hängt es der Lehre an, daß
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