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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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geschah.
    Hinter dieser Vermutung steckte eine gute Portion polizeilicher Erfahrung.
    Der Tatort lag an einem abgelegenen Platz namens Sandviken, knapp zehn Kilometer nördlich von Södertälje. Sandviken liegt in der Nähe des Südufers von Södra Björkfjärden am Mälarsee und besteht aus ein paar Ferienhäusern und Katen. Nur eine einzige Schotterstraße führt zu dem Ferienhaus, in dem der Mord sich ereignet hatte. Es hatte am Abend geschneit, und als Polizei und Krankenwagen dreiundzwanzig Minuten nach der Benachrichtigung zum Tatort kamen, wurde festgestellt, daß das ganze letzte Stück bis zu der angegebenen Adresse keinerlei Reifenspuren aufwies. Und am Tatort selbst standen fünf zum Teil zugeschneite Autos, die während der letzten Stunde niemand gefahren haben konnte.
    Das Ferienhaus in Sandviken gehörte dem assyrischsyrischen Verein in Södertälje und war als eine Art Clubhaus gedacht. An diesem Abend hatte ein Treffen von Syrern stattgefunden, die in Södertälje wohnten. Außerdem hatten zwei oder drei Libanesen oder Palästinenser aus Stockholm daran teilgenommen.
    Der Ereignisverlauf in den entscheidenden Augenblicken ließ sich schon von den ersten Polizeibeamten am Tatort feststellen. Es hatte ein Clubtreffen stattgefunden. Zwölf Personen hatten im Wohnzimmer des Ferienhauses in einem großen Kreis gesessen. Worum es bei dem Treffen gegangen war, war nicht ganz klar, doch das ließ sich später noch in Erfahrung bringen.
    Während des Treffens war plötzlich das Klirren von Glas zu hören gewesen. Dann landeten zwei kleine Gegenstände, kleiner als Handgranaten, mitten auf dem Orientteppich am Fußboden. Danach wurden alle Anwesenden geblendet. Das Geräusch, das dabei entstand, beschrieben sie als das von Schock-Blend-Granaten, wie sie Terrorbekämpfer auf der ganzen Welt verwenden; mit dieser Waffe sollen die Opfer zwar kampfunfähig gemacht, aber nicht verletzt werden.
    Anschließend mußte jemand den Raum betreten und Mahmoud Saadani erschossen haben, vermutlich mit einer Automatikwaffe. Sonst war niemand verwundet worden.
    Als die Anwesenden, die zunächst unter Schock standen, allmählich wieder zu sich kamen, rief jemand per Handy sofort die Polizei an. Andere rannten ins Freie, um zu sehen, ob sich jemand in der Nähe befand. Keiner der Anwesenden konnte dieser Version zufolge schuldig sein, da alle untereinander für Alibis sorgten.
    Der Polizei von Södertälje blieb kaum eine Wahl. Die Beamten transportierten sämtliche elf Überlebenden zum Polizeihaus in der Stadt und begannen mit vorläufigen Vernehmungen. Diese mußten jedoch nach und nach abgebrochen werden, da keiner der Verdächtigen auch nur einen Millimeter von seiner Geschichte abwich: Der Täter sei ein außenstehender und für sämtliche Anwesenden unbekannter Mann gewesen.
    Das konnte natürlich nicht sein, da der vermeintlich unbekannte Täter weder geflogen sein konnte noch zu Fuß das Haus hatte erreichen können. Es gab schließlich nur einen Weg zum Tatort, und ein Auto war ebenfalls nicht verwendet worden.
    Über den Mälarsee konnte der unbekannte Täter auch nicht gekommen sein. In Ufernähe trug das Eis nicht mehr, und ein bißchen weiter draußen in Södra Björkfjärden war schon offenes Wasser. Überdies hatte sich der Mord zu Beginn des nächtlichen Schneesturms ereignet. Es war undenkbar, daß sich jemand auf diesem Weg entfernt hatte.
    Der Schneesturm nahm im Lauf der Nacht an Stärke zu, während die vernehmenden Polizeibeamten in Södertälje vergeblich daran arbeiteten, einen der anwesenden Zeugen dazu zu bringen, von seiner Darstellung abzuweichen. Sie arbeiteten gegen die Sechsstunden-Vorschrift. Das bedeutete, daß sie die Zeugen nicht länger festhalten durften, ohne bei einem Staatsanwalt einen offiziellen Festnahmebeschluß zu erwirken. Das wäre jedoch unmöglich gewesen, da diese kollektiven Festnahmen außerordentlich illegal waren, selbst wenn es um Einwanderer ging. Ebenso unmöglich war es, einen einzelnen der Zeugen als besonders verdächtig zu benennen. Die drei, die Blutspritzer auf ihrer Kleidung hatten, erklärten dies damit, daß sie dem Opfer am nächsten gesessen hätten.
    Es gab nur zwei logische Möglichkeiten. Entweder hatten sich elf Einwanderer zur Ermordung des zwölften verschworen und einander dann gelobt, sich an die vereinbarte Geschichte zu halten.
    Oder der Mörder befand sich noch am Tatort, wo er gegebenenfalls während dieses unerwarteten heftigen Schneesturms jetzt

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