Und dann kam Ute (German Edition)
meinen Wagen, traute mich aber nicht, auch nur eine zu stellen. Aber Madame machte sowieso keine Anstalten, mit mir zu reden. Nach weiteren zehn Schweigeminuten verlor ich die Geduld und fragte vorsichtig: «Ist was? Stimmt was nicht mit dem Kind?» Und ohne Vorwarnung fing sie sofort an zu heulen.
«Ja, es wird ein Junge!», schluchzte sie.
Ich verstand die Welt nicht mehr.
«Mensch, Ute! Glückwunsch. Die Chancen standen eh nicht schlecht.»
«Aber Atze – ich weiß doch gar nichts von Jungs. Wie erzieht man bloß einen Jungen?»
Ich reichte ihr mein Taschentuch und tröstete sie.
«Für solche Fälle gibt es den ultimativen Ratgeber. Und das Beste ist – er sitzt hier direkt neben dir und fährt Porsche! Sei froh, dass du mich hast. Du hast ja recht – die Erziehung eines Jungen … die darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen, da gibt es tausend elementar wichtige Dinge zu beachten. Das fängt ja schon beim Namen an. Was soll denn aus so ’nem Jaust werden, wenn er Thorben, Cedrick, Kevin oder Philipp heißt? Ein schäfchenstrickender Namenstänzer. Was sollen wir denn mit noch mehr Vanilleteetrinkern? Die kannste doch direkt nach der Geburt beim Synchronschwimmen anmelden. Das sind doch die Ersten, die im Kindergarten was auf die Schnauze kriegen, weil sie Rolf-Zuckowski-Lieder singen. Das sind die armen Jungs, denen Mutti beim Schulausflug ’ne Biene-Maja-Sigg-Flasche einpackt, damit ihr Liebling auch immer genug Früchtetee bei sich hat. Wenn ich so ’n Blödsinn schon höre. Ein Schnitzelbrötchen und ’ne kalte Cola, da ist doch alles drin, was so ’n kleiner Körper braucht, und gut is’! Teetrinker und Saftlutscher, das sind genau die Weicheier, die Delfine auf ihrem Schultornister haben wollen und beim Fußball als Letzte in die Mannschaft gewählt werden. Sag mir mal einen guten Fußballer, der Philipp heißt!»
Sie schnäuzte sich und entgegnete gereizt:
«Philipp Lahm, einer der besten Linksverteidiger der Welt!»
«Tja, äh … Aber bei Bayern München spielen ja eh nur Fußballer mit komischen Namen. Ich bitte dich – Schweinsteiger! Das war doch früher in Bayern ein Ausbildungsberuf! Ja sicha! Mandoki, Robben, Toni Kroos, Toni Gard, Gerry Weber, Bruno Banani und wie se da alle heißen … ja, so isses doch! Da haste deine Flötentruppe. Ganz klar, beim BVB heißt keiner so!»
«Ja nee, is’ klar, Atze. Da steht nur einer im Tor, der heißt Roman Weidenfeller …»
«Ja, und warum? Weil er sich’s leisten kann! Bei dir besteht doch sowieso die Gefahr, dass du das Kind einseitig verziehst. Setzt du dich mit dem aufs Sofa und guckst die Sportschau? Bei euch Waldörflern ist doch wahrscheinlich sogar der Fernseher aus Holz.»
«Du hast Nerven, Atze. Red doch nicht so ’n Mist. Du sitzt doch jeden Abend mit deinem scheiß dänischen Gurkensalat vor der Glotze und guckst Frauke Ludowig! Was soll der Kleine denn daraus lernen? Wie wichtig es ist, dass Lothar Matthäus’ neue Freundin den Realschulabschluss nachmacht?»
«Ja, Frau Peymann, davon red ich doch die ganze Zeit. Da siehst du mal, was so ein falscher Vorname alles anrichten kann! In meinen Augen hatte der Matthäus nie ’ne echte Chance.»
«Tja, Herr Schröder, du geniale Sozialkoryphäe, dann sag doch mal einer einseitig verziehenden Waldorf-Holzpädagogin, wie so ein echter Junge heißen muss.»
«Das ist doch ganz einfach: Angus, Bon Scott, Keith, Jimi … äh … Horst, Schimanski – bitte, da haste doch schon mal ’ne tolle Auswahl!»
Ute kriegte einen derartigen Lachanfall, dass ich mir echt Sorgen um das ungeborene Kind machte. Ein 911 ist schließlich kein Kreißsaal. Am schlimmsten war jedoch, dass ich das gar nicht lustig gemeint hatte. Aber sie hörte gar nicht mehr auf zu lachen und wischte sich immer wieder die Tränen aus dem Gesicht. Als sie sich etwas beruhigt hatte, sagte sie mit einer sonderbar ernsten Stimme: «Siehst du, das ist der Grund, warum ich auf den Vater dankend verzichten kann.»
Das war meine Chance.
«Wieso, wenn ich fragen darf?»
«Ist doch egal. Ich brauch ihn nicht. Ich hab keine Lust auf diese ganzen Diskussionen. Ich komm sehr gut alleine klar. Ich habe dieses Kind gewollt, ich werde dieses Kind kriegen, und ich bin niemandem Rechenschaft schuldig. Weder dir noch ihm.»
«Oh, daher weht der Wind – Django hat ’ne Monatskarte! Die einsame Rächerin braucht nichts und niemanden. Entschuldigung, dass ich Anteil nehme.»
«Mensch, sei doch nicht gleich
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