Und der Herr sei ihnen gnädig
geschafft, ihn einzuholen?«
»Ich bin auch ziemlich schnell, Sir.«
»Sie hätten ihn wegen ein paar Verkehrssünden doch nicht mit der Waffe bedroht, oder?«
»Ich würde niemals mit der Waffe auf einen flüchtenden Verkehrssünder zielen, Sir. Das wäre ein massiver Missbrauch einer Feuerwaffe.«
»Wie haben Sie es geschafft, ihn zu Boden zu strecken?« »Ich habe ihn eingeholt und ihm einen Schlag in den Rücken versetzt. Daraufhin ist er gestolpert und gestürzt.«
Wieder musterte Stone mich eindringlich. »Waren Sie schon jemals auf der Liste der vierundvierzig?«
Ich musste lachen. Die Liste der vierundvierzig war für die Beamten reserviert, gegen welche die meisten Beschwerden vonseiten der Bürger vorlagen. »Ahm, nein.« »Irgendwelche Anzeigen gegen Sie?«
»Nein.« Ich sah ihn an. »Warum? Hat El Paso vor, mich wegen meiner brutalen Vorgehensweise ihm gegenüber anzuzeigen?« Er grinste. »Nicht mehr, wenn wir mit ihm fertig sind.«
»Sie stecken ganz schön tief in der Scheiße, mi amigo«, sagte Brill. »Sie sind mit einer größeren Menge Drogen erwischt worden, und alles deutet darauf hin, dass Sie vorhatten, das Zeug zu verkaufen. Darauf steht eine hohe Gefängnisstrafe. Wenn man dann noch Ihre Verkehrssünden und Ihr früheres Drogendelikt dazunimmt, sieht es wirklich schlecht für Sie aus. Da werden Sie so schnell nicht mehr rauskommen, fürchte ich.«
El Pasos schmales, narbiges Gesicht wurde bleich. Seine Wangen nahmen einen Grauton an, der sich stark vom Schwarz seines Hemds abhob. Seine Beine steckten in einer weiten, ausgebeulten Jeans. Nase und Stirn waren von seinem Sturz zerkratzt und ließen seine Verbrechervisage noch schlimmer aussehen als sonst. Er war überall tätowiert, an den Händen, am Hals, im Nacken und wahrscheinlich auch unter dem Hemd.
Brill hatte stark übertrieben, was das voraussichtliche Strafmaß betraf, aber das wusste Germando nicht.
»Sie hat mir das Zeug untergeschoben!«, rief er.
»Nein, das hat sie nicht«, entgegnete Brill. »Soll ich Ihnen sagen, woher wir das wissen?«
Germando gab keine Antwort.
»Wir haben einen Zeugen gefunden. Einen Mann, der sie begleitet hat.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass sie jemanden dabeihatte! Einen Schwarzen! Einen Dealer -«
»Nein, er ist kein Dealer«, erklärte Brill. »Er ist ihr Freund.« »Ihr Freund ist ein Dealer?«
»Nein, Germando, er ist kein Dealer. Aber nachdem sich die beiden so nahe stehen... was glauben Sie, auf wessen Seite er stehen wird, wenn wir ihn in den Zeugenstand holen, hmmm?«
Germando wirkte auf einmal sehr bedrückt. »Ich will meinen Anwalt sprechen.«
»Kein Problem«, antwortete Brill. »Aber bevor Sie ihn anrufen, möchte ich Ihnen noch eine kleine Geschichte erzählen. Hören Sie gut zu. Die Geschichte könnte Ihnen nämlich helfen, Ihren Hals noch mal aus der Schlinge zu ziehen.«
El Paso hob den Kopf. Er sah erst mich an, dann Brill.
»Die Geschichte liegt ungefähr sechs Monate zurück«, fuhr Brill fort. »Es geht dabei um eine Vergewaltigung, amigo, eine von der besonders heftigen Sorte - eine Gruppenvergewaltigung auf der Herrentoilette im MacFerren Park. Das Opfer war ein behindertes Mädchen, das dort mit ihrem behinderten Freund herummachte. Jemand hat den Jungen verprügelt, bis er sich nicht mehr rührte, und anschließend in die Mülltonne gesteckt. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?«
Seine Augen weiteten sich, aber er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe noch nie jemandem etwas Böses angetan.«
»Vielleicht nicht so etwas.«
»Ich habe niemandem etwas angetan.«
»Das habe ich ja auch nicht behauptet. Vielleicht waren Sie nur dabei.«
»Nein... ich war nicht dabei.«
»Wir können eine Gegenüberstellung organisieren, Germando«, mischte ich mich ein. »Wir können das Mädchen aufs Revier holen.« Ich deutete auf seinen Hals. »Der Tiger auf Ihrem Hals ist eine ziemlich auffällige Visitenkarte.«
»Sie sagen doch, dass sie behindert ist.« El Paso wischte sich einen Nasentropfen weg. »Niemand wird ihr glauben.«
»Ich fürchte, da täuschen Sie sich«, erwiderte ich. »Ich schätze, viele Menschen werden ihr glauben.« Ich beugte mich über den Tisch und schenkte ihm ein Glas Wasser ein. »Die Frage ist, ob Sie es wirklich darauf ankommen lassen wollen. Vor zwölf Leuten, die einen solchen Vergewaltiger bestimmt am liebsten lebenslänglich hinter Gittern sehen würden?«
»Möchten Sie jetzt Ihren Anwalt anrufen?«, fragte Brill.
El Paso
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