Und der Herr sei ihnen gnädig
»Und, steht es mir?«
»Wie für dich gemacht.«
»Das finde ich auch.« Während er das Hemd wieder in der Tüte verstaute, wurde seine Miene ein wenig ernster. »Ich würde es gerne heute Abend für dich tragen. Wäre das möglich?«
»Vielleicht.«
»Wie stehen meine Chancen?«
Ich konnte mich nicht zu einem Lächeln überwinden. »Tut mir Leid, wenn ich dich angeschnauzt habe. Ich mag es nicht, wenn jemand meinen Job besser macht als ich selbst.«
»Ich hab nicht deinen Job gemacht.«
»Ohne dich hätte ich ihn nicht erwischt.«
»Ich bin mal Wettkämpfe gelaufen. Auch von deinen Kollegen hätte da keiner eine Chance.«
»Es war aber keiner von meinen Kollegen, sondern ich. Ich war für die Sache verantwortlich. Was, wenn er eine Waffe gezogen hätte, Koby?«
»Dann hätte ich die perfekte Rückendeckung gehabt.«
»Hörst du mir eigentlich zu? Ich versuche dir gerade etwas Wichtiges klar zu machen!« Er wirkte plötzlich sehr niedergeschlagen. »Ja. Ich höre dir zu.«
»Ich... ich weiß auch nicht. Entschuldige.«
»Es war nicht nur mein Tempo«, sagte er leise. »Du warst vorher schon wütend auf mich.«
Ich gab ihm keine Antwort. Wieder schwiegen wir. Schließlich sagte ich: »Ich kann mich an deinen Blick erinnern, als ich dem Typen die Handschellen anlegte. Damit habe ich dein Bild vom brutalen LAPD-Cop genau bestätigt, oder?«
»Einen Moment lang war ich tatsächlich erschrocken«, gab er zu. »Aber ich weiß, dass das Ganze zwei Seiten hat.«
Ich nickte.
»Was hat er angestellt?«
»Rein formal habe ich ihn verhaftet, weil gegen ihn ein Haftbefehl wegen nicht bezahlter Strafzettel vorlag. Aber eigentlich wollte ich ihn mir schnappen, weil er möglicherweise dabei war, als mehrere Jungs eine behinderte Frau vergewaltigten.«
Koby verzog entsetzt das Gesicht. Ich musste daran denken, was meinem Vater bestimmt Dutzende von Malen durch den Kopf gegangen war: Warum habe ich es nicht für mich behalten?
»Hat dir seine Verhaftung weitergeholfen?«, fragte er.
Letztendlich schon. Nachdem ich ungefähr tausend Fragen abgeschmettert hatte. »Ja, das hat sie.«
»Dann ist es ja gut.« Er verstaute die Gartenschere in seiner Hosentasche und warf einen Blick auf die Uhr. »Wie wär's, wenn ich uns einen Kaffee mache? Du kannst dich hier hinsetzen und ein bisschen entspannen, während ich dusche und mir was Frisches anziehe. Anschließend könnten wir vielleicht an den Strand fahren und uns den Sonnenuntergang ansehen. Und später suchen wir uns ein Lokal.«
Das klang nicht nur wundervoll, sondern hatte darüber hinaus einen sofort einsetzenden therapeutischen Effekt. Trotzdem war ich noch immer angespannt.»Koby, warum hast du mich nicht angerufen? Ich war nach dem Unfall völlig am Ende. Ich weiß, dass es bei euch im Krankenhaus drunter und drüber ging, aber ein paar freundliche Worte auf meinem Anrufbeantworter hätten mir schon geholfen. Das hätte doch nicht viel Zeit erfordert... höchstens zwei Minuten.«
Er wandte den Blick ab. »Ich weiß. Ich hätte dich anrufen sollen. «
»Und warum hast du es dann nicht getan?«
Er betrachtete einen Rosenbusch und zog die Gartenschere aus der Tasche. Wieder sprach er mit mir, ohne mich anzusehen. »Ich habe diese Launen, Cynthia.« Er zwickte eine verblühte Rose ab. »Ich hatte gehofft, es würde erst wieder losgehen, wenn wir schon länger zusammen wären... dann hättest du erst meine guten Seiten kennen lernen können.«
Ich starrte ihn verwirrt an. »Was meinst du mit >Launen«
»Na ja, Launen eben.«
»Koby, jeder Mensch hat Launen.«
»Ja, aber meine sind sehr düster.«
»Depressionen?«
Er sah mich an. »Eine Mischung aus Wut und Depression, glaube ich. Ich bin dann keine gute Gesellschaft. Inzwischen weiß ich, dass ich in solchen Phasen am besten klarkomme, wenn ich mich in meine Arbeit stürze. Also arbeite ich, bis ich nicht mehr kann... bis ich einen Zustand der totalen Erschöpfung erreicht habe. Dann schlafe ich - einen Tag, zwei Tage. Und dann... geht es wieder weg. Es geht immer wieder weg. Weil die Welt letztendlich ein guter Ort ist.«
»Hast du dir jemals helfen lassen?«
»Von einem Therapeuten?«
»Ja. Ich gehe regelmäßig zu einem Therapeuten. Das hilft.« »Warum sollte ich? Es geht doch von selbst wieder weg.« »Durch eine Therapie könntest du herausfinden, was der Auslöser ist.«
»Ich kenne die Auslöser bereits. Diesmal war es der Unfall. Das kleine Mädchen hat überlebt, auch wenn es ein Bein
Weitere Kostenlose Bücher