Und der Herr sei ihnen gnädig
verlor. Das Baby ist gestorben, Cindy. Es hatte schwere Kopfverletzungen. Das war der Grund.«
»Aber Koby, du erlebst bei deiner Arbeit doch ständig, dass Babys sterben.«
»Ja, aber diese Babys sind krank. Da muss man damit rechnen. Man stellt sich darauf ein. Wenn es sich aber um ein gesundes Kind handelt... dabei hätte die Mutter nur einen Kindersitz benutzen brauchen... das macht mich... Und dann auch noch so unerwartet! Ich fühlte mich gerade so glücklich mit dir... es war ein so schöner Abend. Und dann... von einer Sekunde auf die andere... bumm!« Er schlug die Fäuste gegeneinander. Das Geräusch ließ mich erschrocken zusammenzucken. »Es war wie in der israelischen Armee, Zahal, wenn wir shomrab hatten - Wache schoben. Du sitzt da und unterhältst dich mit deinem chevrah über Frauen, und im nächsten Moment wird dein Freund von der Kugel eines Heckenschützen niedergestreckt. Oder damals in Äthiopien, wenn wir Kinder aus unserer tukul traten - unserer Hütte - und draußen alle Frauen weinten. Aber das ist nichts Neues, der Tod ist allgegenwärtig. Bis dir jemand sagt, dass deine Mutter gerade gestorben ist. Das ist das Schlimmste. Wenn jemand unerwartet stirbt. Im Krankenhaus ist das etwas anderes, da kann man sich darauf einstellen. Verstehst du, was ich meine?«
Ich atmete deutlich hörbar aus. »Du hast in deinem Leben viele traumatische Erlebnisse gehabt.«
»Ich sagte dir ja, dass wir alle Altlasten mit uns herumschleppen.«
»Aber manche Altlasten sind schwerer als andere.« Er nickte düster. »Da hast du Recht. Ich kann es gut verstehen, dass dir das zu viel ist.«
»Habe ich gesagt, dass es mir zu viel ist?« Wir schwiegen wieder.
»Dieser Mann, dieser Oliver...«, begann Koby nach einer Weile. »Magst du ihn noch?« Ich stieß ein kleines Lachen aus. »Das, mein Freund, ist so was von vorbei...«
»Für ihn nicht.«
»Ging es darum? Um Oliver?«
Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht ein bisschen.«
»Ein bisschen, hm?«
»Ein ganz kleines bisschen.«
»Ein winziges, winziges bisschen.« Ich nickte. »Verstehe.«
»Cindy, unter normalen Umständen hätte ich das überhaupt nicht beachtet, aber in Verbindung mit allem anderen, was passiert ist, hat es mir doch irgendwie zu schaffen gemacht. Das ist alles.«
Ich wartete mit meiner Antwort, bis er mich ansah. »Das mit Oliver hättest du dir sparen können. Ich habe deine Freundin Marnie schließlich auch nie erwähnt.«
Sein Blick wanderte ein ganz klein wenig zur Seite, sodass er auf einen Punkt über meiner Schulter starrte.
»Es ist immer ein Fehler, etwas mit einem Menschen anzufangen, mit dem man zusammenarbeitet«, fuhr ich fort, als er nichts sagte. »Ich für meinen Teil habe nicht vor, diesen Fehler zu wiederholen.«
»In dem Punkt sind wir uns einig«, meinte er.
»Wie wär's dann damit: Ich frage dich nicht... und du fragst mich nicht.« Ich musterte ihn mit einem wissenden Blick. »Außerdem habe ich das dumpfe Gefühl, dass deine Liste viel länger ist als meine.« Er wurde tatsächlich rot. »Koby, in meinem Leben gibt es zurzeit wirklich niemanden. Da kannst du ganz beruhigt sein.«
»Ich bin so ein Narr.« Er zwickte eine weitere verblühte Rose ab. »Verzeih mir.«
Ich nahm ihm die Gartenschere aus der Hand. »Du bist kein Narr, und was mich betrifft, ist das alles Schnee von gestern. Aber in Zukunft musst du mir schon sagen, dass du interessiert bist.«
»Glaub mir, das ist nicht das Problem.«
»Wenn du schlecht drauf bist, dann sag einfach zu mir: Ich kann nicht reden, ich bin schlecht drauf. Dann weiß ich wenigstens, dass es nichts mit mir zu tun hat. Ich bin ein Scheidungskind, mir ist das Wort >Trauma< also auch nicht fremd. Ich brauche meine Ordnung, genau wie du.«
»Das lässt sich machen.«
Ich gab ihm seine Gartenschere zurück. »Und vielleicht solltest du dir trotzdem überlegen, ob du nicht mit jemandem darüber sprechen willst.«
»Ich spreche gerade mit dir darüber.«
»Ich bin kein Therapeut.«
»Dafür verlangst du auch nicht ganz so viel für die Stunde.« Er sah mich an, ließ einen Finger zärtlich über meine Wange gleiten. »Gott schickt mir einen Engel, und ich lasse ihn wieder gehen. Ich muss wirklich ein Idiot sein.«
Ich lachte. »Jetzt übertreibst du aber ein bisschen.«
»Nein, allein schon dein Anblick ist wundervoll, Cynthia. Du bist wie Feuer... alles an dir ist Feuer.«
Ich gab ihm keine Antwort.
Sein Blick war so durchdringend, dass mir ganz flau wurde.
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