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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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»In Wirklichkeit heißt sie Roseanne -«
    »Ich heiße, wie ich will, du blöde Kuh!«
    »Stopp!«, mischte ich mich ein. »Wir wollen doch freundlich bleiben, ja?« »Meinetwegen.« Rhiannon presste ihre Bücher gegen ihre Brust und bedachte mich mit einem beleidigten Blick. »Ich habe dieses obdachlose Mädchen auch gesehen, glaube ich. Sie hat eine Tasche aus Muscheln.«
    Carisse nickte. »Ja, das ist sie.«
    »Mir war nicht klar, dass sie schwanger war«, fuhr Rhiannon fort.
    »Das habe ich auch nicht behauptet. Ich hab nur gesagt, dass sie fett war und in diesem Buch gelesen hat.«
    »Kannst du dich an den Titel des Buchs erinnern?«, fragte ich Carisse.
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie hat auch gar nicht so ausgesehen, als würde sie wirklich lesen. Eher... als würde sie sich die Bilder ansehen.«
    »Warum glaubst du, dass sie nicht gelesen hat?«
    »Weil sie die Seiten viel zu schnell umgeblättert hat. Außerdem hat sie beim Umblättern vor sich hingemurmelt. Als würde sie mit sich selbst reden.«
    »Kannst du sie beschreiben?«
    »Sie hatte ein rosa Gesicht, und sie war fett«, antwortete Carisse.
    »Demnach war das Mädchen also eine Weiße?« »Ja, mit einem rosa Gesicht.« »Irgendwas ist mit der nicht in Ordnung.« Rhiannon klopfte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe. »Und sie hat mit sich selbst geredet?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Rhiannon. »Dazu war ich immer zu weit weg.«
    »Doch, sie murmelte dauernd vor sich hin«, warf Carisse ein. »Sie trug auch komische Klamotten, noch dazu mehrere Schichten davon. Man sah, dass ihr heiß war. Ihr Gesicht war klatschnass vor Schweiß... und richtig rosa, wie bei einem Schweinchen.« Ich nickte ihr aufmunternd zu. »Augenfarbe? Haarfarbe?«
    »Blondes Haar«, antwortete Rhiannon.
    Blondes Haar. Wenn Rhiannon trotz der abendlichen Stunde aufgefallen war, dass das Mädchen blondes Haar hatte, dann musste es schon sehr blond gewesen sein, und außerdem ziemlich sauber, denn auch blondes Haar wirkt dunkel, wenn es schmutzig und fettig ist. Keines der beiden Mädchen hatte etwas von Gestank gesagt, was den Leuten normalerweise als Erstes auffiel, wenn sie mit Obdachlosen zu tun hatten.
    »Und ihr habt sie schon eine Weile nicht mehr gesehen?«
    »Ich habe nicht nach ihr Ausschau gehalten«, entgegnete Carisse. »Sie haben mich gefragt, und ich habe Ihnen gesagt, was ich weiß.«
    »Danke. Ihr habt mir beide sehr geholfen.« Ich gab ihnen je eine von meinen Visitenkarten. »Wenn ihr sie wieder seht, ruft mich an.«
    Rhiannon betrachtete die Karte mit zusammengekniffenen Augen. »Cynthia Decker.« Sie sah mich an. »So heißen Sie?« »Ja, so heiße ich.«
    »Wie lange sind Sie schon bei der Polizei?« »Seit zwei Jahren.«
    »Dann sind Sie also noch ziemlich neu?«
    »Ich kenne mich schon ganz gut aus«, antwortete ich.
    »Und es gefällt Ihnen?«
    »Ja, sehr gut sogar.«
    »Was braucht man, um Polizistin zu werden?«
    Auf diese Frage gab es eine lange und eine kurze Antwort. Ich persönlich verband mit meinem Beruf den leidenschaftlichen Wunsch, anderen zu helfen, und eine wilde Entschlossenheit, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Man brauchte Mut, innere Stärke, körperliches Durchhaltevermögen und die Bereitschaft, lange, einsame Nächte in Kauf zu nehmen. Außerdem musste man sich selbst sehr genau kennen, von Grund auf ehrlich sein und mit dem Zustand der Isoliertheit Erfahrung haben. Oft galt es, mit Dämonen aus Albträumen zu ringen, die manchmal wahr werden. All das verband ich mit meinem Beruf und noch vieles mehr.
    Trotzdem gab ich ihr die kurze Antwort: Man braucht einen Highschool-Abschluss und einen warmen Körper. Ach ja, und wenn man polizeilich noch nicht aktenkundig geworden ist, ist das ebenfalls von Vorteil, wenn auch nicht unbedingt nötig.
    Was bedeutet schon eine geringfügige Gesetzesübertretung wegen Drogenbesitzes unter Freunden?

8
    »Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich um die Ergebnisse der Blutuntersuchung zu kümmern.«
    »Verstehe.« Mehr sagte Dad nicht dazu.
    Ich sprach übers Handy mit ihm. »Du hast wahrscheinlich keine Lust, für mich im Krankenhaus anzurufen, oder?«
    »Das ist einfach nicht mein Job, Cindy. Außerdem hat Van Horn das vielleicht schon getan. Hast du dich mit ihm abgesprochen?«
    Ich wusste, dass Greg nur noch zwölf Stunden bis zu seinem Urlaub hatte... und sich ganz bestimmt nicht darum kümmern würde. »Ich glaube nicht, dass er schon angerufen hat. Ich dachte mir bloß, dass es aus dem

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