Und Nietzsche lachte
ist es, was wir als seine Sinnhaftigkeit wahrnehmen und gutheißen; was wir schön finden.
Lassen Sie uns an diesem Punkt kurz innehalten und einen Zwischenstand festhalten: Folgen wir Platons Theorie des Sinns, so wie er sie in seiner Ideenphilosophie entwickelte, dann stellt sich heraus, dass Sinn zu verstehen bedeutet: das Gut-Sein eines Phänomens zu verstehen – wobei Gut-Sein beschrieben ist als dessen spezifische und wiedererkennbare innere Stimmigkeit, wohlgefügte Ordnung, Harmonie. Man könnte auch sagen: Sinn ist eine harmonische Schwingung, die sich an einem Phänomen zeigt – und mit der in Resonanz zu schwingen so viel heißt wie, es zu verstehen. Das Ereignis des Sinns ließe sich dann beschreiben als das Ereignis der Resonanz, bei dem ich als Verstehender und das von mir verstandene Phänomen in harmonischem Einklang schwingen; was sich darin ausdrückt, dass nicht nur das Phänomen, das ich verstehe, mir bejahbar und schön erscheint, sondern dass ich auch das Ereignis selbst absolut bejahbar, gut und schön finde.
Nun hoffe ich, damit verständlich gemacht zu haben, was Platon meinte, als er sagte: DAS GUTE ist die Ursache dafür, dass einem Verstehbaren das Verstanden-Werden zuteilwird: Im Lichte einer Idee (= Sinn) wird etwas als das erkennbar, was es ist; d.h. als was es gutgeheißen werden kann. Weil die Idee zu verstehen gleichbedeutend damit ist zu verstehen, was die besondere, in sich stimmige, harmonische Schwingung oder Struktur eines Phänomens ausmacht – sein Gut-Sein.
Die Weltzeitlosen. Ideen sind und sind nicht von dieser Welt
Aber das ist noch nicht alles. Den faszinierendsten und – zumindest für Nietzsche – anstößigsten Aspekt der Platonischen Ideenphilosophie (also seiner Theorie des Sinns) habe ich Ihnen noch vorenthalten. Nämlich seine These, dass Ideen zeitlos, ewig, göttlich, absolut etc. sind. Besonders die Denker des Mittelalters liebten diese Lehre, weil sie meinten, Ideen deshalb als die ewigen Gedanken Gottes deuten zu dürfen, und so behaupten konnten, dass den Sinn der Welt und des Lebens zu verstehen heißt, diese Bedeutungen der Dinge im Intellekt Gottes aufzuspüren. Aber das war nicht das, was Platon meinte. Platon ist – entgegen dem hartnäckigsten Irrtum der Philosophiegeschichte – nicht der Erfinder der »Ideenwelt«, nicht der lügnerische Erdichter von Nietzsches verhassten »Hinterwelten«. Für Platon ist ganz klar: Sinn ist immer nur der Sinn von Phänomenen. Ideen sind immer nur der Anblick, mit dem die Phänomene der Welt sich uns zeigen. Sinn erscheint und lässt erscheinen – und das inmitten der Zeit, an vergänglichen und zerbrechlichen Phänomenen. Und doch öffnet sich mit seinem Erscheinen unausweichlich eine Dimension, die außerhalb der Zeit liegt. Sinn ist zeitlos – und das Ereignis des Sinns ist der Einbruch der Ewigkeit inmitten der Zeitlichkeit. Das heißt: Wenn ES STIMMT, wenn ein Kunstwerk, eine Musik oder was auch immer mit sich und Ihnen in harmonischer Resonanz schwingt, dann öffnet sich ein Fenster, wodurch das Ewige in Ihr Leben strahlt. Denn dieses ES STIMMT hat eine Qualität, die bleibt, die nicht anders sein kann und die jederzeit immer neu erschlossen oder gefunden, niemals aber gemacht werden kann.
Das klingt zunächst schräg, was wohl daher rührt, dass ganze Heerscharen von Philosophen ihren Scharfsinn darauf gewendet haben, allen Platonikern vorzurechnen, es sei abwegig, so etwas wie einen ewigen und zeitlosen Sinn der Phänomene anzunehmen. Was uns aber nicht davon abhalten sollte, noch ein bisschen in der Spur des alten Platon zu wandeln und versuchsweise den kühnen Gedanken zu wagen, dass Ideen (= Sinn) tatsächlich einer anderen Dimension des Seins angehören als alles, was wir sonst so kennen.
Wollen wir auch dazu ein kleines Experiment probieren? Es ist eigentlich ganz einfach. Nehmen Sie noch einmal Ihre Espressotasse. – Ah, sie ist leer. Na dann: Machen Sie sich einen neuen. Sie haben’s sich verdient!
PAUSE.
Okay. Also, wir haben gesagt: Durch Gebrauch und Umgang mit der Espressotasse haben Sie herausgefunden, was der Sinn dieses Dingsda ist, nämlich dass man daraus gut und bequem einen Espresso trinken kann. Dieses Wissen bewährt sich darin, dass Sie eine Espressotasse von einem Eierbecher (oder sonst was) unterscheiden können; und es bewährt sich darin, dass Sie im Zweifelsfall wissen, wie man eine Espressotasse machen kann. Gut. Und jetzt behaupte ich mit Platon: Diesen Sinn haben
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