Und taeglich grueßt die Evolution
wurden in den 1960er Jahren die Überreste von 59 Menschen entdeckt, von denen 24 nachweislich durch Gewalteinwirkung zu Tode gekommen waren. In ihren Gräbern lagen steinerne Pfeilspitzen, in einigen Fällen steckten die Projektile in den Knochen der Skelette. Auch bei jenen, die nicht in den Gebeinen verblieben waren, konnte eine Verwendung als Grabbeigabe ausgeschlossen werden. Alle 110 Spitzen lagen so zwischen den Skeletten, dass sie bei der Bestattung vermutlich in den Körpern steckten. Auffällig waren auch die Überreste einer Frau, deren Gebein ein Dutzend Brüche aufweist. Solche Wunden entstehen beim Nahkampf oder durch Schläge von mehreren Angreifern.
Auf Sizilien entdeckten Archäologen die Überreste einer Frau, die gewaltsam zu Tode gekommen war. In ihrem Beckenbereich steckte eine Pfeilspitze. Das Skelett stammt aus der Zeit um 11000 v.Chr., der beginnenden Mittelsteinzeit. Ebenfalls in dieser Periode starb ein Kind, dessen Überreste in der Grotta de Fanciulli in Italien lagen. Auch in diesem Fall war ein Pfeil die Todesursache, diesmal steckte die Spitze in der Wirbelsäule. Funde wie diese gibt es von der Atlantikküste bis zur Ukraine. In einem der Gräber von Vedbæk in Dänemark lag eine Pfeilspitze neben einer toten Frau. Im Skelett eines Mannes aus Teviec in der Bretagne fanden Archäologen zwei Pfeilspitzen im Rückgrat. Meist sind diese Funde in die Zeit um 7000 v.Chr. datierbar. Dennoch gelten diese Tatbestände nicht als Beleg dafür, dass die Mesolithiker großes Gewaltpotenzial entwickelten. Vielmehr setzte in dieser Periode der allmählich ausklingenden Mittelsteinzeit eine Tendenz zur Bestattung ein. Gräber wurden häufiger und sorgfältiger angelegt als zuvor. Die Toten und ihre jeweiligen Todesursachen sind deshalb besser überliefert.
Viesenhäuser Hof – Experiment einer Lebensgemeinschaft
Die Gewaltorgien der Steinzeit scheinen Fantasieprodukte der Gegenwart zu sein. Tatsächlich scheint die neolithische Kulturrevolution eher zu einer Befriedung der Verhältnisse beigetragen zu haben: Nur wenige Kilometer von Talheim entfernt, in der Nähe des heutigen Stuttgart, lebten Bauern und Jäger in friedlicher Koexistenz, wie die Untersuchung der Knochen ihres jungsteinzeitlichen Friedhofs belegen. An den Zähnen der sorgsam Bestatteten analysierten die Wissenschaftler die Strontium-Isotope. Diese chemischen Elemente verrieten, wo sich die Menschen seit ihrer Kindheit aufgehalten und welche Nahrung sie bevorzugt hatten. Erstaunliches Ergebnis der Untersuchung: Am Viesenhäuser Hof lebten zum einen Menschen, die ihr gesamtes Leben dort verbracht und die örtlichen Nahrungsquellen genutzt hatten. Eine andere Gruppe aber war zugewandert. Die Forscher erkannten in den Rückständen, dass sich eine Gruppe von Jägern und Sammlern offenkundig den bereits sesshaften Bauern angeschlossen hatte. Die neuen Nachbarn müssen sich perfekt assimiliert haben. Weder ihre Bestattungsform noch ihre Grabbeigaben unterschieden sich von denen der Alteingesessenen.
Denkmäler der Wachsamkeit
Die Menschen im Westjordanland hatten offenbar Angst. Anders lassen sich die gewaltigen Mauern und Befestigungsanlagen von Jericho, der ältesten Stadt der Welt, kaum erklären. Schon vor 10000 Jahren ließen sich Siedler an einer fruchtbaren Oase in der Levante nieder. Sieben Kilometer von den Ufern des Jordans entfernt wuchs in kurzer Zeit eine der größten Lebensgemeinschaften der damaligen Welt heran. Um 8000 v.Chr. lebten hier 2000–3000 Menschen.
Umgeben war die Siedlung von einer der ältesten Stadtmauern der Geschichte. Mit 1,75 Metern Breite war diese Befestigung ein imposantes Bauwerk. Ihre volle Höhe hat sich nicht erhalten, Archäologen schätzen sie auf fünf bis sieben Meter. An vielen Stellen entdeckten die Ausgräber Spuren von Ausbesserungen. Dieses Flickwerk mag auf Wasserschäden zurückzuführen sein oder auf Angriffe oder Belagerungen. Wie bei den späteren Erdwerken Mitteleuropas verlief ein Graben vor der Mauer, der den Sturm auf die Wehranlage zu einem fast aussichtslosen Unterfangen machte. Die Ausschachtung des Grabens muss Jahre gedauert haben. Erschwert wurde die Aufgabe dadurch, dass die Vertiefung nicht nur ins Erdreich gegraben, sondern auch in den gewachsenen Fels geschlagen werden musste. Mit acht Meter Breite und zwei Meter Tiefe war der Graben so eindrucksvoll wie unüberwindlich.
Auf permanente Alarmbereitschaft deutet auch ein Turm, dessen Ruine sich 10 000 Jahre lang
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