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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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wenig Vertrauen erweckt. Ihre Uniformen ähneln der Kleidung der Schmuggler. Auch verstecken einige der Männer die Hände unter ihren kurzen Jacken.
    Um was zu verbergen?, überlegte der Commissaris. Waffen? Schmiergeld? Geschmuggelten Tabak? Gewürze oder Drogen? Das war der Gedanke gewesen, der ihn die ganze Zeit nicht losgelassen hatte: Was immer Henk Dekker zu seinem Vorgehen gegen Radschiv Sharma und seine Söhne getrieben hatte, es war nicht nur reine Schikane oder der Übereifer eines Bilderbuchbeamten. Es war auch nicht der Hass von jemandem, der im Krieg gesehen hatte, wozu Menschen fähig sind, und der seine Heimat davor beschützen wollte. Es war anders, dunkler und gefährlicher.
    Die Türglocke ertönte. Draußen stand Brigadier Tambur, jetzt aber bei eingeschaltetem Licht, und sagte: »Kommen Sie schon, ich weiß, dass Sie nicht schlafen können.«

25
    »Ich bin süchtig nach Riesenrädern«, erklärte Julika. »Ich könnte mich die ganze Zeit davorstellen und so lange hinschauen, bis ich das Gefühl habe, irgendeinen kosmischen Spiralnebel dabei zu beobachten, wie er die Welt aufsaugt.«
    »So viel Unsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört«, sagte Van Leeuwen.
    Sie schlenderten langsam zwischen den wenigen Kermis-Buden über den Dam, und die laue Sommernacht war durchtränkt vom Geruch nach Zuckerwatte, Pommes frites und Oliebollen. Plötzlich trat etwas in Van Leeuwens Herz, das anders war als alles, was er in letzter Zeit gefühlt hatte. Er verspürte eine Sehnsucht nach genau diesem Moment. Er wollte hier sein, genau jetzt. Julika spürte es auch; sie legte den Kopf an seinen Oberarm. Für einen Moment lebte er mit allen Sinnen, all dies konnte er sehen, hören und fühlen, und es lag an ihm, sich nicht dagegen zu wehren. Du kannst nichts für sie tun, dachte er. Du vergisst sie ja nicht, und wenn du etwas tun könntest, würdest du es tun. Sie ist deine Frau, und sie stirbt, das ist alles.
    Inmitten einer bunten Menschenmenge flanierten sie über den Platz. Ein junger Zigeuner führte ein Lama vorbei, auf dessen Rücken ein kleines blondes Mädchen saß, das Gesicht beherrscht von ängstlicher Verzückung. Der Lamaführer lächelte Julika an. Sie lächelte zurück und legte Van Leeuwen den Arm um die Hüfte, und für einen kurzen, überraschenden Augenblick war er stolz.
    In einem großen Spiegel am Eingang eines Karussells fand er sein Bild und das der jungen Frau, die seine Tochter sein könnte. Sie trug die schwarze Lederjacke und den Hut mit der breiten Krempe, und ihr Haar schaute unter dem Hut hervor über den hochgeschlagenen Kragen der Lederjacke. Es war ein merkwürdiges Gefühl, sie beide so zu sehen, Julika und ihn und den um seine Hüfte gelegten Arm. Er dachte, dass es nicht richtig war, aber auch, dass ihm die Kraft fehlte, den Arm wegzuschieben.
    Hinter ihnen begann ein Leierkastenmann zu spielen, Roses are flow’ring in Picardy, so laut, dass es die aus allen Lautsprechern dudelnden Schlager übertönte . Es war ein altes Lied, das er oft mit Simone gehört hatte, und plötzlich schämte er sich. Er trat einen Schritt zur Seite, und Julikas Arm glitt von seiner Hüfte. Alles rings umher versank in der blauen Nacht. Nur das Lied, Roses of Picardy , blieb hell in der Luft. Auf dem ganzen Platz flammten Lichter, rot, gelb,blau, grün, orange. Bunte Glühbirnen schmückten die kühn bemalten Fassaden der Attraktionen mit grellen Farben. Das Riesenrad zog einen leuchtenden Kreis vor dem Schloss, hinauf in den schwach geröteten Himmel. »Können wir damit fahren?«, fragte Julika.
    »Falls du einen Vater suchst, bin ich der falsche Mann«, sagte der Commissaris.
    »Ich weiß.«
    »Und für alles andere bin ich auch der falsche«, fügte er hinzu.
    »Ich weiß.« Lachend nahm sie ihren Hut ab und setzte ihn Van Leeuwen auf den Kopf, bevor er den Weg zur Kasse des Riesenrads einschlug. Der Commissaris sah sich um. Sein Blick fiel auf einen Mann ein paar Schritte hinter ihm, der sich abrupt abwandte. Der Mann trug eine Baseballkappe, Jeans und eine Lederjacke. Dann war er verschwunden, und Van Leeuwen dachte wieder, dass er sich wahrscheinlich getäuscht hatte.
    An der Kasse des Riesenrads löste Julika zwei Eintrittskarten. Auch der Mann, der sie abriss, warf ihr ein Lächeln zu. »Waren das nicht umwerfende Goldzähne?«, fragte sie lachend, als sie die Holzrampe betraten. »Oben und unten, sehr eindrucksvoll. Ich finde, Sie sollten sich auch solche Zähne machen lassen, um Ihre

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