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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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her wie eine Raubkatze im Käfig, geschmeidig und verständnislos. Er sah aus, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen, und als der Commissaris den Raum betrat, blieb er stehen. Er stand da in seiner schwarzen Hose und dem zerknitterten, verschwitzten weißen Hemd und wirkte jung und trotzig.
    »Guten Morgen, Shak«, sagte der Commissaris. »Hast du gut geschlafen?«
    Shak antwortete nicht. Er schob die Hände in die Hosentaschen und warf mit einem scharfen Ruck das schwarze Haar aus der Stirn, das ihm gleich wieder zurückfiel. Sein Unterkiefer zitterte kaum merklich. Das Zittern der Hände konnte er verbergen, aber der Unterkiefer verriet ihn, und bald würden die vielen winzig kleinen Muskeln um die Augen dazukommen.
    Es war nicht das Verhörzimmer, in dem sie Mirabal befragt hatten. Die Verhörzimmer waren alle besetzt, deswegen hatte der Commissaris Shak in den Raum bringen lassen, in dem üblicherweise die Gegenüberstellungen stattfanden. Er hatte einen Tisch verlangtund zwei Stühle, die bereits gebracht worden waren. Durch einen Spiegel konnte man alles beobachten, was in dem Raum vorging. Hinter dem Spiegel standen Hoofdinspecteur Gallo und Brigadier Tambur.
    »Setz dich«, sagte der Commissaris.
    »Ich stehe lieber«, sagte Shak.
    »Ich auch«, sagte der Commissaris. »Wenn wir so weitermachen, werden wir schnell fertig.«
    Shak warf sich wieder das Haar aus der Stirn. Der Commissaris ging zu einer Ecke des Raums, in der auf einem Metallhocker mit Plastikbezug ein Stapel Holzschilder lag. Die Holzschilder hatten dünne Ketten, an denen man sie sich um den Hals hängen konnte. Auf einigen der Schilder standen Zahlen, 1, 2, 3, 4, auf andere waren bunte Bilder gemalt – ein Ball, ein Krokodil, ein Clown.
    Der Commissaris sagte: »Mit deinem Vater waren wir auf dem Hausboot, auf dem Amir Singh ermordet wurde. Mit Mirabal waren wir in einem Verhörzimmer, aber zurzeit sind alle Verhörzimmer besetzt. Die Polizei von Amsterdam ist sehr groß, musst du wissen: Es gibt den Hoofdcommissaris ganz oben an der Spitze, dann gibt es mich, und unter mir kommen ein paar Hoofdinspecteure, jede Menge Inspecteure, ein Haufen Brigadiers und eine Unmenge von Hoofdagenten, Agenten, Surveillants und Aspirants, die alle damit beschäftigt sind, Verbrechen zu verhindern oder aufzuklären, und manchmal haben wir eben einfach nicht genug Verhörzimmer, um alle Verdächtigen zu befragen.
    In diesem Raum geht es im Allgemeinen so zu: Der Verdächtige wird mit einigen anderen Personen, die ihm alle mehr oder weniger ähnlich sehen, in einer Reihe aufgestellt, und jeder bekommt ein Schild mit einer Zahl umgehängt, das dann vor seiner Brust baumelt. Hinter dem Spiegel da stehen die Zeugen und sagen uns – sodass die Verdächtigen es nicht hören können –, wen von den hier aufgereihten Personen sie wiedererkennen. Sie sagen: Nummer 3 war es oder Nummer 5, aber ich bin mir nicht ganz sicher oder Nummer 4, eindeutig Nummer 4, da gibt es gar keinen Zweifel . Manchmal sind die Zeugen hinter dem Spiegel allerdings Kinder, die noch keineZahlen lesen können, deswegen kriegen der Verdächtige und die anderen diese Schilder hier umgehängt – einen Ball oder ein Krokodil oder den Clown oder ein Haus –, und wenn das kleine Mädchen oder der kleine Junge den Verdächtigen wiedererkennt, sagt es: Der Ball . Oder das Haus . Oder das Krokodil. «
    Der Commissaris nahm das Schild mit dem schlichten grünen Krokodil und hängte es Shak mit einer raschen Bewegung um den Hals. Der Junge blickte zu dem großen Spiegel hinüber.
    »Dahinter sind heute keine Zeugen«, sagte Van Leeuwen, »und wir haben auch keine anderen Personen kommen lassen, um dich mit ihnen in eine Reihe zu stellen – den Ball, den Hasen, das Haus und den Clown. Das ist nicht nötig, denn wir wissen ja, dass du es warst, und wir wissen auch, warum du es getan hast. Was wir nicht wissen, ist, was in dieser Nacht im Einzelnen vorgefallen ist, was dich dazu getrieben hat.«
    Shak begann wieder, auf und ab zu gehen, schneller diesmal und mit gesenktem Kopf. »Sie wissen nichts«, sagte er.
    »Ich sage dir, was ich weiß –« Van Leeuwen begann, ebenfalls hin und her zu gehen. »– und wenn ich fertig bin, sagst du mir, was ich nicht weiß.« Am Ende des Raums machte er kehrt, genau wie Shak am anderen Ende. »Henk Dekker – Hoofdinspecteur Dekker vom Zoll – und die Inspektoren De Vries und Ten Hart sind nicht die vorbildlichen Beamten, die sie zu sein vorgeben. Sie

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