Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall
Schicht im Parkhaus. Er gab mir etwas von seinem Verdienst ab und noch etwas, wenn er zu meiner Freundin ging. Er hatte andere Freunde, die in derselben Situation waren, keine Papiere, illegal eingewandert, kein Platz zum Schlafen. Er half ihnen, wie ich ihm geholfen hatte, und sie gaben ihm auch etwas, und davon gab er mir etwas. Bald war ich im Parkhaus nicht mehr Wächter, sondern Pächter. Bald hatte ich nicht mehr eine Freundin, sondern viele. Ich verkaufte keine Rosen mehr, sondern kaufte sie. Billig, weil sie trocken waren und erst gefärbt werden mussten. Aber am Abend, in der Dunkelheit, wenn die Leute betrunken sind und sie teuer bezahlen, wer achtet darauf, ob die Ware frisch ist?«
Der Commissaris dachte daran, wie oft er Simone als junger Mann in einem Restaurant eine Rose gekauft hatte, en passant und doch aufrichtig, und wie sie sich darüber gefreut hatte, selbst wenn die roten Blätter schon auf dem Tisch zwischen den Weingläsern zu welken begannen.
»Wissen Sie, was man bei uns sagt?«, fuhr Sharma fort. »Blumen sind das Lächeln der Erde.«
»Und Mohn ist dann wohl das Erröten der Erde?«, warf Hoofdinspecteur Gallo ein.
»Warum sollte die Erde erröten?«, fragte Sharma interessiert.
»Aus Scham«, antwortete Gallo scharf. »Aus Scham darüber, was Leute wie Sie mit den Blumen machen, mit einer so schönen roten Blume wie Mohn, wie sie das Lächeln in Gift verwandeln und dieses Gift dann in unser Land bringen, wo unsere Kinder süchtig danach werden!«
Sharma schüttelte bedächtig den Kopf, fast vorwurfsvoll. »Wissen Sie, wie viele Inder, wie viele Tamilen, wie viele Surinamer in wie vielen Städten nachts für mich unterwegs waren, um Rosen zu verkaufen? Wie viele Afrikanerinnen freundlich zu fremden Männern waren? Wie viele Parkwächter im Dunst der Abgase fremder Autos Tickets zählten? Glauben Sie, ich hätte all diese mühseligen, wenig ertragreichen Geschäfte betrieben, wenn ich ein Rauschgiftschmuggler wäre? Wissen Sie, mit wem ich mich alles arrangieren musste, damit die Geschäfte weitergehen konnten, mit wie vielen Schreibtischhengsten in wie vielen Behörden, mit wie vielen Wirten, Vermietern, Polizisten oder Zöllnern, erst in Rotterdam, dann in Amsterdam, schließlich in Den Haag, Haarlem, Utrecht? Glauben Sie, das wäre möglich gewesen, wenn ich Drogen ins Land geschmuggelt hätte? Glauben Sie das?« Sharmas Stimme wurde schärfer. »Ich habe selbst zwei Kinder! Haben Sie Kinder?«
»Sie sind also ein Mörder und kein Rauschgiftschmuggler«, sagte Van Leeuwen. »Aber wenn Sie kein Opium schmuggeln, warum mussten Sie Amir Singh dann töten?«
Sharma schwieg verblüfft. Er lehnt sich zurück und blinzelte, als wollte er seine Augen vor dem einfallenden Licht schützen. Endlich sagte er: »Weil er mich bestohlen hat – Geld, nicht Opium. Ich bin ein geiziger Mann, Mijnheer. Ganz am Anfang habe ich meine Einnahmen immer bei mir getragen. Später habe ich sie unter der Matratze versteckt, dann habe ich sie zur Bank getragen. Dann habe ich Aktien von der Bank gekauft, schließlich von der Fluggesellschaft, die meine Angestellten aus Indien oder Surinam oder Indonesien nach Holland bringt und wieder zurück, wenn sie ausgewiesen werden. Und als meine liebe Frau Vharma starb und meine Söhne noch klein waren, als ich das Geld und die Aktien hatte, da träumte ich eine ganze Nacht lang von Gewürzen, und als ichaufwachte, wusste ich, dass ich von meinen Söhnen geträumt hatte. Kinder sind die Würze im Leben eines Mannes, der echte Reichtum, dachte ich. Und ich wollte, dass sie es einmal besser haben als ich. Sie sollten stolz sein auf ihren Vater, weil er sein Geld auf anständige Weise verdient hat und ihnen in der Stunde seines Todes etwas übergeben konnte, dessen sie sich nicht schämen mussten. Ich habe die Aktien verkauft. Ich habe auch meine Pachtverträge verkauft und alles in die neue Firma investiert, Import-Export, ganz legal, wie es sich gehört.«
Er schwieg wieder, und als er weitersprach, wurden seine Worte bitter. »Sie denken, es ist leicht, in Amsterdam eine Firma zu gründen? Ja, es ist leicht, man muss nur bezahlen, und wenn man will, dass es schnell geht, muss man etwas mehr bezahlen, unter der Hand, für den Gewerbeschein, für die Arbeitserlaubnis, für die Aufenthaltsgenehmigungen, für die Stromleitung, für den Kanalisationsanschluss, für Einfuhrpapiere, für Pässe. Man muss jemanden treffen, in einer Nachtbar, und ihm ein Kuvert zustecken,
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