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Unruhe: Der erste Fall für Kommissar Steen (German Edition)

Unruhe: Der erste Fall für Kommissar Steen (German Edition)

Titel: Unruhe: Der erste Fall für Kommissar Steen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Stein
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Neergaard und die Auseinandersetzung, die sie gerade gehabt hatten, beiseitezuschieben. Der Geräuschpegel, der von der Straße her zu ihm drang, bestätigte, dass die Unruhen einen neuen Höhepunkt erreicht hatten. Rufe und Kommandos echoten zwischen den Häuserwänden hin und her, die Martinshörner der Feuerwehr bildeten eine konstante Klangkulisse, wurden aber nach einiger Zeit von denen der Polizei abgelöst, und Axel wusste, dass die Feuerwehrleute es aufgegeben hatten, zu den Brandherden in Nørrebro vorzurücken, weil sie mit Wurfgeschossen bombardiert wurden. Der normaleVerkehr war verschwunden, und so trat in kurzen Perioden eine ungewohnte Stille auf, ein sonderbar traumartiges Schweigen der Straße, die sonst beständig brüllte. Es war gegen halb zwei, als ihm in einer der stillen Perioden plötzlich der goldfarbene Schein auffiel, der von der Kreuzung direkt unter ihm durch die Fenster tanzend hereinkam. Funken stoben von der Straße zum Himmel, das Knistern von Flammen.
    Axel zündete sich einen Joint an und inhalierte, als gehörte die Straße zu einer ganz anderen Wirklichkeit.
    Zwölf, dreizehn Menschen saßen auf dem Asphalt um ein Feuer herum, das sich aus Sperrmüll, ausrangierten Matratzen, ein paar Fahrrädern und kompakten Stapeln Angebotsblättchen speiste. Es sah aus wie ein ganz gewöhnliches Gelage ziemlich betrunkener Männer, deren einziges soziales Bindemittel der Promillewert ihres Bluts war, wenn nicht statt eines Kaminofens ein Straßenfeuer gelodert hätte. Zwei der Betrunkenen standen auf und versuchten, einige der Zeitungen, die sich aus den Stapeln gelöst und auf der Straße verteilt hatten, mit Fußtritten wieder in die Flammen zu befördern. Axel kannte die beiden, Barkeeper aus nahe gelegenen Kneipen, mit Ende vierzig zu alt für Dummejungenstreiche, doch glichen sie in der lallenden Motorik des Rausches vielmehr Babys, die gerade erst laufen gelernt haben.
    Die Müdigkeit stellte sich zuerst in den Augen ein, die er schloss, ohne es zu merken. Jetzt konnte er Frieden finden.

SAMSTAG, 3. MÄRZ
18
    Der März war der schlimmste Monat des Jahres in Dänemark, kackbraun und grau, eingeklemmt zwischen dem weißen Schnee des Februars und dem Frühlingsversprechen des Aprils. Nichts als ein kaltes Intervall der Hoffnungslosigkeit.
    Dieses Jahr war keine Ausnahme, dachte Axel mit einer Tasse Kaffee in der Hand, während er auf ein Nørrebro blickte, das ihm das Herz schwer werden ließ. Der Himmel war schieferfarben, der Asphalt, den das Streusalz des Winters weißgrau gefärbt hatte, glich nach den Krawallen der Nacht mit seinen großen Flecken aus Brandwunden einem von Narben überzogenen Körper, und die Häuser standen als farblose Mauern im diesig grauen Morgendunst der Stadt.
    Das Haschisch hatte ihm zum Schlaf verholfen, und er fühlte sich bereit und voller Tatkraft. Er spürte nicht einmal seinen Puls, es sei denn, er legte sich die Hand auf die Brust.

    Es war kurz nach sieben, Emma schlief noch, und Axel überlegte, was er mit Kasper Vang und Jesper Groes machen sollte. Der Staatsanwalt war zu der Einschätzung gekommen, dass nicht genug gegen sie vorlag, um sie einem Haftrichter vorzuführen, aber es konnte ja sein, dass er das nach einem Blick auf die Aufnahmen anders sah. Die beiden Polizisten waren bis auf Weiteres aus den Dienstplänen gestrichen worden. Axel würde ihnen heute auf den Zahn fühlen, aber erst, wenn er einen Blick in ihre Personalakten geworfen hatte.
    Im Treppenhaus sammelte er die Tageszeitungen auf. Sonne war in der Wohngemeinschaft gewesen und hatte die beiden Freundinnen von Piver interviewt, die von Polizeigewalt und Übergriffen und ihrem verschwundenen Freund berichteten. Es war herzzerreißend und verlogen. Die Modpress-Story über den getöteten Mann mit der Sturmhaube war so richtig in Fahrt gekommen und hatte sich seit gestern zu etwas entwickelt, das nur noch als Amoklauf bezeichnet werden konnte und das die Presseabteilung im Präsidium höchstwahrscheinlich als unkontrollierbare Angelegenheit einstufte, die es schnellstmöglich zu beenden galt. Sie war auf allen Titelseiten, und die Perspektive war immer dieselbe, am schärfsten und in bautasteingroßen Blockbuchstaben auf den Punkt gebracht vom Ekstra Bladet: Polizei in Mord an einem Autonomen verwickelt?
    Axel wusste, welche Farbe Corneliussens Gesicht annehmen würde, wenn er diese Überschrift zu lesen bekäme, ganz zu schweigen davon, wie Rosenkvists sorgfältig gekämmte Strähnen

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