Unser Leben mit George
Futters,
Fauchen, Kratzen und Angriffe, wenn er es am wenigsten erwartete — alles das
war jetzt alltäglich, und ihr Benehmen wurde immer feindseliger.
»Knurr sie doch an, George! Komm, bell
mal richtig!«, feuerte ich ihn an. Aber egal, was ich sagte, George wollte oder
konnte nicht kämpfen. In ihm war selbst vor seiner Kastration nicht ein
Fünkchen Aggression gewesen, und seit der Operation war er ein noch größerer
Softie geworden. Anders als die Anhänger von Charles II., die zwar den
Bürgerkrieg verloren, aber wenigstens gegen die Roundheads gekämpft hatten, war unser Cavalier unfähig, sich zu verteidigen. Aus dem früheren Hund
war ein lebendiges Kuscheltier geworden. George war einfach zu sanft.
Meine Mutter und meine Schwester boten
an, sich so oft wie möglich um Joshua und George zu kümmern, aber allzu oft
konnte ich es ihnen auch nicht zumuten. Die Lösung meines Problems kam überraschend,
als ich von Eva, einer tschechischen Bekannten, erfuhr, dass ihre
zwanzigjährige Nichte für ein paar Monate au pair nach England kommen wollte.
Sie fragte mich, ob ich eine Familie kannte, wo sie Unterkommen könne. Ich rief
alle möglichen Bekannten an, um zu fragen, ob sie eine vorübergehende Hilfe
brauchen könnten. Dann dämmerte es mir plötzlich. Wenn hier jemand ein
Au-pair-Mädchen brauchte, dann war ich es.
Linda war sagenhaft — hübsch,
intelligent und lebhaft. Sie sprach perfekt Englisch und war ein Energiebündel,
wie ich noch keines erlebt hatte. Obwohl sie sich eigentlich jeden Tag nur
einige Stunden um Joshua und George kümmern sollte, putzte sie außerdem das
Haus von oben bis unten, mähte den Rasen, machte dem Unkraut auf den Blumenbeeten
den Garaus und räumte sämtliche Schränke und Schubladen auf, und alles ganz von
sich aus. Als ich eines Abends nach Hause kam und sah, was sie mit dem Berg
Bügelwäsche gemacht hatte, den ich in den Schrank gestopft hatte, fing ich an
zu heulen. Noch nie hatte ich etwas so Schönes gesehen wie diese ordentlichen
Stapel wunderbar gebügelter Bettbezüge, Laken und Handtücher, es sah aus wie in
einem Wäschegeschäft. Linda war so effizient, dass sie sogar für eine
Nachfolgerin sorgte, als sie Ende des Sommers wieder nach Tschechien
zurückkehrte: Das war die hübsche Barbara mit den sanften Augen, eine ihrer
Freundinnen, die ebenfalls au pair nach England gekommen war, aber aus ihrer
Gastfamilie geflohen war, als der Hausherr anfing, ihr nachzustellen.
Linda und Barbara waren die ersten
einer Reihe von jungen Mädchen aus Tschechien, die im Laufe der nächsten vier
Jahre zu unserer Familie gehörten. Eine von ihnen blieb nur zwei Tage, ehe sie
sich wieder verabschiedete, dafür blieb eine andere, die hübsche und schlanke,
blonde Juristin namens Martina, insgesamt zweieinhalb Jahre. Während dieser
Zeit legte sie sich eine Sammlung hochhackiger Schuhe und Stiefel zu, bei deren
Anblick Imelda Marcos grün vor Neid geworden wäre. Sie quollen aus ihrem
winzigen Kleiderschrank wie eine Lawine aus schwarzem Leder und lagen
haufenweise auf dem Fußboden.
Martina und ihre Landsmänninnen gingen
nicht nur morgens mit George spazieren, sie spielten Babysitter, wenn ich
abends ausging, und waren für Joshua da, wenn ich nicht zu Hause war. Doch
führten sie durchaus auch ein eigenes Leben. Ich genoss es, dass sie bei uns
lebten, obwohl das bedeutete, dass ich mein Buch in einer Ecke des
Schlafzimmers schreiben musste, weil mein Arbeitszimmer jetzt ihnen gehörte.
Der größte Vorteil aber war, dass das Haus nicht mehr zu groß oder zu ruhig
war. Das Gegenteil war der Fall: Jetzt war es laut und betriebsam, und manchmal
wurde es sogar ziemlich eng, denn zu den Bewohnern gesellten sich jetzt
regelmäßig Gruppen von Joshuas Kumpels und ganze Schwärme tschechischer Freunde
und Verwandter. Dazu gehörte Barbaras Mutter, die für eine Woche gekommen war
und sofort nach ihrer Ankunft eine Schürze umband und sich daranmachte, in der
Küche Apfelstrudel zu backen; ebenso wie Martinas beste Freundin Ivona, eine
weitere hübsche blonde Juristin, die im nahe gelegenen Belsize Park au pair war
und die Aufgabe hatte, sich um den epileptischen Beagle ihrer Gastfamilie zu
kümmern, der George manchmal besuchte.
Mit ihren jeweiligen Hunden auf dem
Schoß und so makellos, als seien sie gerade der Zeitschrift Vogue entstiegen, saßen Martina und Ivona meist mit perfektem Make-up am Küchentisch,
tranken Cappuccino und redeten mit Höchstgeschwindigkeit in
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