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Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition)

Titel: Unser Verhältnis verhält sich verhalten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bente Varlemann
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seinen Briefkasten.
    Beim Arzt rät man mir zu Ultraschall statt Pille, und es ist nichts zu sehen auf dem kleinen Monitor neben der Liege. Es ist nichts passiert. Ich schreibe Holger eine SMS , er antwortet nicht.
    Als ich Ann-Kathrin die H-Geschichte erzähle, sagt sie: «Na, immerhin war’s nicht langweilig, aber dafür eben ein Holger.»
    Seitdem nennen wir jeden Menschen, der nicht langweilig, dafür aber ein Arschloch ist, Holger. Denn was war das denn bitte für ein Typ?

Atmen
    Wir zählen Atemzüge. Schon eine Minute lang. Dann halte ich mir die Hände erneut vor das Gesicht. Verschlucke meine Luft und presse Wimmern heraus, heule Rotz und Tränen, fange alles in meinen Handinnenflächen auf. Sabrina reicht mir Taschentücher. «Das ist doch alles scheiße», heule ich. «So scheiße.»
    Ich bin verzweifelt, was eigentlich überflüssig ist, aber ich frage mich, warum es bei mir immer nicht klappt. Das mit einer Beziehung. «Bei den anderen funktioniert das doch auch irgendwie», wimmere ich. Warum nicht bei mir?, denke ich. Es ist ja nicht so, als würde ich ohne jemand anders nicht wissen, wohin, es ist ja nicht so, dass ich nichts zu tun hätte. Es ist aber so, dass ich an mir zweifle, mich frage, ob ich nicht liebenswert genug bin, nicht hübsch genug, eben alles nicht genug. «Wenn du dich scheiße fühlst, dann ist das eben so», sagt Sabrina, «das geht wieder weg. Das Scheiße-Gefühl ist ja auch irgendwann aufgetaucht, dann taucht es auch wieder ab. Es auszuhalten, das ist die eigentliche Scheiße.»
    Wir zählen Atemzüge. Ich halte fünf Minuten durch. Dann verschlucke ich wieder Luft. Unter Schluchzen erzähle ich, was mir letztens ein Typ gesagt hat, mit dem ich bekannt bin und mit dem ich über dieses Thema sprach. «Weißt du», sagte er, «vielleicht bist du einfach zu laut, zu unfreundlich, du wirkst böse, da musst du dich nicht wundern, wenn das nicht funktioniert. Du solltest einfach ruhiger sein, nett, nicht immer widersprechen.» Ich habe ihm geantwortet, dass ich aber nun mal so bin und, wenn das der Preis für Zuneigung ist, ich den niemals zahlen werde. Dass ich mich nicht kleinmache, um geliebt zu werden. «Da bleibe ich lieber so wie jetzt», schluchze ich. «Der Typ ist ein Idiot. Und auch wenn man devot ist, ist das doch keine Garantie für irgendwas», schimpft Sabrina. «Ja, was soll das denn?», frage ich. «Wie lebe ich hier eigentlich? Ich stehe permanent zwischen Unabhängigkeit und Abhängigkeit. Wenn ich keine Beziehung habe, dann fühle ich mich manchmal ausgeschlossen, und das nur, weil irgendwer festgelegt hat, dass eine romantische Zweierbeziehung erstrebenswert ist. Und wenn ich dann eine habe und abends ausgehe und blöde angemacht werde und mich darüber beschwere, dann sagt irgendwer: ‹Ja, aber warum hast du dem denn nicht einfach gesagt, dass du einen Freund hast? Dann hätte der dich bestimmt gleich in Ruhe gelassen.› Ich sage das dann nicht, weil ich mich nicht über meine Beziehung definieren will. Ich will als eine eigenständige Person wahrgenommen werden, die niemand einfach sexistisch ansprechen und anfassen darf. Dabei ist es ganz egal, ob ich Single bin oder nicht. Das ist in diesem Moment vollkommen irrelevant.» «Genau so sehe ich das auch», sagt Sabrina.
    Wir zählen Atemzüge. Nach zehn Minuten hören wir auf. Meine Augen sind geschwollen, meine Nase ist rot, Heulen war mal wieder nötig. Nach den Tränen kommt die Klarheit. «Ich habe so oft das Gefühl, kämpfen zu müssen. Mit mir selber, mit meinen Eltern, mit meinen Mitbewohnern, mit Leuten, die ich kenne, mit Menschen, die ich nicht kenne, mit meinen Entscheidungen. Es ist alles so verdammt anstrengend. Dauernd finde ich heraus, wie ich sein möchte und wie bitte die anderen zu sein haben, und manchmal passt das gut zusammen – aber meistens eben nicht. Irgendwie fällt es mir schwer, damit umzugehen, dass mich nicht alle Menschen mögen. Andererseits mag ich ja auch nicht alle. Ganz im Gegenteil. Wahrscheinlich sollte ich einfach genauso weitermachen wie bisher.»
    Sabrina lächelt mich an, räumt meine Taschentücher weg und erzählt, dass ihr Freund Moritz einmal gesagt habe, dass niemandem versprochen wurde, glücklich zu sein. Aber dass es immer auch wieder schöne Momente gibt und geben wird. «Genau wie jetzt», sage ich und atme ein und aus.

Was für ein Tag!
    Was für ein Tag, an dem ich schon morgens gut gelaunt aus dem Bett aufspringe und voller Übermut in den Tag starte.

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