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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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erstreckte sich zwischen Wald und Ufer und bildete am Ostrand des Gewässers einen nahezu vollkommenen Halbkreis.
    »Dieser Ort ist den Awaren sehr heilig, mein Liebes«, flüsterte Yr ihr zu. »Denn dieses Volk verehrt die …«
    »Ich glaube, das ist nicht nötig, Samtpfote«, bemerkte Jack leise, während er die Baumlinie absuchte. »Zum ersten Mal scheint es das Schicksal gut mit uns zu meinen. Sieh nur, die Mutter hat einen Awarenpriester geschickt.«
    Die beiden Frauen schauten sofort zu der Stelle hinüber, auf die Jack starrte. »Ein Awarenpriester«, hauchte Yr ergriffen. Faraday blickte hierhin und dorthin, konnte aber nicht das geringste entdecken. Aber als ihre Augen sich an die Schatten zwischen den Stämmen gewöhnt hatten, trat ein Mann mit einem kleinen Kind auf dem Arm ins Tageslicht und auf die Lichtung.
    Timozel geriet wieder in seinen Traum, und zwar genau an die Stelle, an welcher er ihn verlassen hatte – vor die sich langsam öffnende Tür. Irgendwie gelang es ihm, die Hand von der Klinke zu nehmen, denn sonst hätte die Pforte ihn jählings hineingezogen. Der Mensch (die Kreatur), die ihn zum Eintreten aufgefordert hatte, stand hinter der Tür. Der Jüngling konnte nicht mehr erkennen als einen Schatten, der auf den Eisboden fiel. Seihst dieser rief soviel Entsetzen in ihm hervor, daß er seinen Geist erneut von der Macht befreite, die ihn im Griff hielt, und ein weiteres Mal entfloh.

29 Der Priester und das Kind
     
    Faraday rückte näher an die Katzenfrau heran und fragte flüsternd: »Wer ist das?«
    »Pst!« machte Yr und stellte sich neben Jack, der mit seinem Stab in der Hand dastand.
    Das Mädchen betrachtete nun den Mann und das Kind genauer. Das Alter des Priesters ließ sich schlecht schätzen, und er hatte eher Faradays Größe als die von Jack. Unter der olivfarbenen Haut wölbten sich die Muskeln, und er trug das lockige braune Haar schulterlang. Der Fremde war mit einem kurzen Hemd aus Wolle und einer braunen Hose bekleidet. Auf dem Saum zeigte sich ein eigenartiges Muster, mit dem die Edle wenig anfangen konnte. Sein breites Gesicht wirkte offen, und über dem vornehmen schmalen Mund, den hohen Wangenknochen und der langen Hakennase wölbte sich eine breite Stirn. Doch das geheimnisvollste waren die Augen. So dunkel, daß man sie fast schwarz nennen konnte, wirkten sie wie kleine Seen, die sowohl unbeschreibliche Freude als auch entsetzliches Elend geschaut haben mußten. Einen Menschen wie ihn hatte das Mädchen nie zuvor gesehen und konnte den Blick nicht von ihm wenden. Etwas Wildes und Fremdartiges ging so stark von ihm aus, daß die Luft darunter zu vibrieren schien. Das Kind auf seinem Arm, ein Mädchen, zählte wohl kaum mehr als drei oder vier Jahre. Schon rein äußerlich schien es demselben Volk anzugehören, ähnelten doch das Gesicht und die Haare dem fremden Mann. Und ebenso die schwarzen Augen. Der Priester blieb einige Schritte vor den drei Reisenden stehen, und die Kleine lächelte die Fremden fröhlich an. Nun erkannte Faraday auch, daß das seltsame Muster am Saum springende Hirsche zeigte.
    Der Blick des Priesters wanderte von einem zum anderen. Dann öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, wurde aber daran gehindert, weil die beiden Wächter sich tief vor ihm verbeugten. Yr drückte sich dabei die Handballen an die Stirn. Jack folgte ihrem Beispiel, allerdings nur mit der Linken, da er in der Rechten den Hirtenstab hielt. »Priester«, grüßten sie ihn wie aus einem Mund und mit kräftiger, klarer Stimme, »wir ehren Euch und die Euren. Möget Ihr stets Schatten zum Rasten finden, und mögen sich die Pfade zum heiligen Hain Euren Füßen stets öffnen.«
    Dieser formelle Gruß verblüffte den Mann, doch noch mehr überraschte ihn das nun folgende: Die Wächter richteten sich wieder auf, und aus ihren Augen strömte smaragdgrünes und saphirblaues Licht. Der Priester setzte das Kind ab und verbeugte sich vor Jack und Yr, wobei er Augen und Stirn mit den Händen bedeckte. »Wächter, ich grüße Euch mit der größten Ehrerbietung.« Als er sich aufrichtete und die Arme herabhängen ließ, stand ein undeutbarer Ausdruck in seinen Augen. »Und mit Erleichterung und Furcht«, fügte der Priester seufzend hinzu. »Euer Erscheinen vor der Mutter beweist mir und den Meinen, daß die Prophezeiung tatsächlich erwacht ist.« Sein Blick richtete sich fragend auf Faraday.
    Sie starrte ihn nur an. Er sprach zwar mit einem eigentümlichen Akzent, aber sie konnte ihn

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