Unter dem Zwillingsstern
Texas herausgefunden hatte, daß sie sich zu Frauen und nicht zu Männern hingezogen fühlte, hatte ganz gewiß nicht die Absicht, m it i h rer neuen Entdeckung zu schlafen. Aller d ings ließ sich b e i allen Schauspielern, ob m ännlich oder weiblich, m ehr erreichen, wenn m an i hnen vor Drehbeginn ein w enig den Hof m achte; danach waren s i e e h er bereit, Befehle zu a k zeptieren und sich über das Pflicht m aß hinaus ins Zeug zu legen.
»Ja«, sagte Genevieve in ihrem bruchstückhaften Deutsch, das sie sich s e iner z eit zug e le g t hatte, um ihren Arbeitgeber zu beeindrucken,
»Sie sind definitely engaged. Und engaging. Ich hoffe nur, Sie können Ihrem engagement, das Beste zu geben, auch nachkommen.«
Der ar m e P a ul sah unsicher aus, ob seine Übersetzungsdienste wieder gefragt waren. Das Mädchen r unzelte einen Mo m ent lang die Stirn, dann lieferte ihr Gedächtnis ihr offenbar die drei Bedeutungen, die Genevieve gerade gebraucht hatte. Sie r ichtete i h ren i n tensiven, großäugigen Blick auf Genevieve und entgegnete: »Ich fühle m ich im m er verpflichtet, m ein Bestes zu geben.«
»Tun wir das nicht alle?« be m erkte Genevieve trocken.
Die Dreharbeiten wür d en er s t im nächsten M onat be g in n en, was auch das Ende der Spielzeit von Ot h ello darstellte. Ein Drehbuch für die Schaus pi eler g ab es n och nicht; als Carla s ich danach erk u ndigte, erfuhr sie, daß Genevieve m it d e r Fassung, die ihr die beiden von Paul Kohner engagierten Autoren vorgelegt hatten, unzufrieden war und sie u m a rbeitete. Das erinnerte beunruhigend an Roberts Fiasko m it den Königsdra m en. Zuerst war es nur ein W i tz gewesen, auf die Fragen der Journalisten, wann denn die Proben begännen, zu antworten: W enn Robert die Stücke geschrieben hat. Aber bald hatte der Scherz seine Ko m i k verloren.
»Ich verstehe es im m er noch nicht « , sagte Peter We r m ut ei n m al zu Carla. Er kam inzwischen nur noch selten ins Theater oder in den Sender; d ie Str e it e rei e n während des Königsdra m enprojekts hatten zu tiefe Spuren hinterla s sen. »Er kann doch, wenn er will, und die Sache war ihm wichtig. Warum hat er es dann geradezu darauf angelegt, sich zu ruinieren, m it seinen ewigen V e rspätungen und Ausflüchten? W ir haben ein m al einen ganzen Tag lang u m sonst auf ihn gewartet, zum Teufel!«
Carla kannte den Grund, nicht, weil Robert etwas zu ihr gesagt hatte, aber sie konnte ihn Peter nicht erklären, ohne Robert zu verraten, also begnügte sie sich m it einer Andeutung.
»Hast du dich je ge f ra g t, warum er ausgerech n et Fal s ta f f spielen wollte, n i cht Prinz Heinz oder Heißs p or n ? «
» W eil Falstaff die beste Rolle ist. Natürlich war er viel zu jung dafür, aber er ist auch zu jung für O t hello. Er ist zu j ung für fast alles, was er m acht, und deswegen werden wir ver m utlich von diesen ständigen Anfällen von Halbwüchsigen-Attitü d en geplagt.«
» W enn m an es auf den allge m einsten Nenner bringt, ist Falstaff ein zuviel trinkender, liebenswerter Tunichtgut, der von der P erson, die er am m eisten liebt, im Stich gelassen wird.«
Mehr konnte sie beim besten W illen nicht sagen. W enn sie das Königsdra m en-Desaster als Mitwirkende erlebt hätte, dann wäre sie ver m utlich auch bis zur W eißglut zornig auf Robert gewe s en, aber als Außenstehende war ihr nur all z u klar, was er da versuchte, und m anch m al befürchtete sie, daß sie ihre eigene Methode längst gefunden hatte.
» W as ist d a s f ür eine A r t Fil m , in der du m itspielen wi r st?« f r agte Philipp sie b ei seinem nächsten Bes u ch. Es war das erste Mal, daß er Inte r esse an ihrer Arb e it zeigt e ; er h atte ihr no c h nie m itgeteilt, w a s er von ihren schauspielerischen F ähigkeiten hielt, und m anch m al bezweifelte Carla, daß er sie üb e rhaupt schon auf der Bühne gesehen hatte. Sie saß gerade in der Badewanne, als e r die Frage s t ellte. Auch wenn sie im m er noch k e ine Geschenke von ihm annah m , ge st and sie sich ein, daß sie den L uxus der Orte, an denen er sich m it ihr traf, genoß. Das Hotel Adlon beispielsweise hatte wunderschöne große Wannen in seinen Badezim m ern, und sie badete nun ein m a l für ihr Leben gerne.
»Eine Va m p irgeschichte«, antwortete sie, erinnerte sich an E l eonores Beschreibung und fügte m it einem halben Lächeln hinzu, »gekreuzt m it Mädchen in Uniform. Nur ohne Internat.«
Philipp runzelte die Stirn. Er stand an
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