Unter der Haut (German Edition)

weich und schön war, wenn sie glücklich war, aber stumpf und strähnig, wenn nicht. Sie ist die Frau in
Eine richtige Ehe
, doch als Aussage über ihre Person gibt das Buch nicht genug her. Sie war meine erste wirkliche Freundin, aus dem einfachen Grund, weil wir zur gleichen Zeit das Gleiche erlebten. Ich konnte weder meine Überzeugungen mit ihr teilen noch das, was ich las. »Nun fängt sie schon wieder damit an«, dachte sie wahrscheinlich, wenn ich spontan über eine literarische oder politische Idee sprach. Ihr fehlte jegliches Interesse an den sozialen Verhältnissen, was sich in ihren Kommentaren ausdrückte. »Ich habe nichts gegen die Eingeborenen, solange sie nicht über die Stränge schlagen.«
    Es gibt diese unvergleichbare Form der Kameradschaft zwischen Frauen, die ihr erstes Kind bekommen. Sie erleben eine gemeinsame Reise von einer Offenbarung zur nächsten, deren Etappen noch dazu in einem Buch beschrieben stehen, das offen vor ihnen auf dem Tisch liegt, denn was sie erleben, hat jede Frau erlebt. Eine gewisse Scheu oder ein Sinn für die Verhältnismäßigkeit hält sie davon ab, größenwahnsinnig zu werden, aber sie fühlen sich als etwas ganz Außergewöhnliches, und das kann nur eine andere Person richtig verstehen. Sie bestätigen sich gegenseitig, wie alltäglich alles ist, weil das, was in ihnen vorgeht, sie sonst möglicherweise überwältigen und auflösen würde.
    Wir waren noch in einer zweiten Hinsicht Verbündete, denn wir lehnten beide die Ärzte ab. Damals hätte man nie gewagt zu sagen, dass man die Bewegungen des Kindes vor Ablauf der offiziellen dreieinhalb Monate spürte und dass das kleine Geschöpf schon im Mutterleib auf die Gedanken und die Stimmungen der Mutter reagierte. Es hatte keinen Zweck zu behaupten, dass das Kind von Geburt an die Stimme der Mutter kennt, seine Umgebung wahrnimmt, aufmerksam zuhört, mit noch verschwommenem Blick versucht, vertraute Gesichter anzuschauen. Einige Leute, die dem Kind zu nahe kommen, haben etwas Abweisendes, andere etwas Beruhigendes, denn das Kleine reagiert mit Tränen und Angst oder mit offensichtlicher Freude. Solche Behauptungen taten Ärzte regelmäßig autoritär als Einbildung ab. Frauen hätten eine reiche Fantasie, sie dürfe nicht mit einem durchgehen. Inzwischen hat die Wissenschaft diese »Ammenmärchen« bestätigt. Haben Ärzte aufgehört, junge Frauen von oben herab zu behandeln? Ich bezweifle es. Kennen Sie auch nur einen Arzt, der sich bei einer Frau entschuldigt hat, nachdem er ihr mit der Andeutung, dass sie hysterisch sei, vorgeworfen hatte, sie erzähle ihm Märchen? »Es tut mir leid, wir hatten unrecht! Sie waren die ganze Zeit im Recht.«
    Die Ehemänner von damals hielten es mit den Ärzten. Das bedeutete, dass Frauen ihre Gedanken für sich behielten. Da war eine Freundin für das seelische Gleichgewicht, wenn nicht gar fürs Überleben, wichtig. Ivy und ich saßen an manchen Vormittagen stundenlang zusammen und verglichen unsere Wahrnehmungen, versicherten uns gegenseitig, dass unsere Babys fühlbar reagierten, wenn wir tanzten, mit ihren Vätern schliefen oder uns ängstlichen Gedanken an den Krieg hingaben. Machten wir uns Sorgen, dass unsere Gedanken und Gefühle so wenig mit dem offiziellen Wissen übereinstimmten? Nicht wirklich. »Ja, ja, denkt, was ihr wollt«, oder so ähnlich, entgegneten wir stumm und widmeten uns weiter unseren privaten Erkundungen. Die Kameradschaft fand ein Ende, als wir beide umziehen mussten. Warum wir umzogen? Damals zogen alle ständig um. Der Krieg war mittlerweile tatsächlich ausgebrochen, den jungen Männern Rhodesiens war mitgeteilt worden, dass sie bald in ein Übungslager eingezogen werden sollten. Alle wussten, dass sie »nach Norden« mussten, in den Wüstenkrieg. In England wurden Pläne entwickelt, nach denen Millionen von Männern nach Australien, Südafrika, Kanada, Kenia, Südrhodesien in die Camps der Royal Air Force entsandt werden sollten, um als Piloten, Bombenschützen und Navigatoren ausgebildet zu werden. In weit größerem Ausmaß als der Tourismus verschiebt der Krieg Menschenmassen über den Erdball.
    Unsere kleine Wohnung wurde für irgendeinen kriegsnotwendigen Zweck beschlagnahmt. Frank fand Ersatz – nur für den Übergang, wie er immerzu versicherte –, gut zwölf Meilen außerhalb von Salisbury. Es handelte sich um eine kleine Hütte, die man dem Verfall überlassen hatte, als ein besseres Haus gebaut wurde. Dort war ich den ganzen Tag und