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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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einer der Meuterer ihn über Bord warf.«
    »Mein Gott! Der Bursche konnte doch überhaupt nicht schwimmen ...«
    Perseverance unterdrückte ein Schluchzen, nickte dann und verließ die Kabine.
    Hayden ließ das Essen auf dem Tisch stehen, trat an das noch intakte Fenster und blickte hinaus auf die dunkle, bewegte See. Hier stand er nun an Bord eines französischen Schiffes, trug den Uniformrock eines französischen Kapitäns. Mit einem Mal fühlte er sich auf unsichtbare Weise mit dem armen Franzosen verbunden, der sich in die unermessliche Tiefe gestürzt hatte. Auch Hayden konnte sich seiner Familie oder seiner Abstammung nicht entziehen, wie es schien. Nie war ihm dies so deutlich geworden wie in diesem Augenblick, zumal er die Kleidung eines Franzosen am Leib trug.
    »Und jetzt bin ich ein Engländer im Rock eines Franzosen«, flüsterte er.
    Obwohl er keinen Appetit verspürte, zwang er sich, ein wenig zu essen, doch er nahm den Geschmack nicht wahr. Aber er wusste, dass sein Körper Nahrung brauchte. Schließlich lag er angezogen in der Koje des ehemaligen Kapitäns und schlief eine Stunde lang - eine Stunde voller Heimsuchungen - und fühlte sich furchtbar matt, als er wieder erwachte.

K APITEL EINUNDZWANZIG
    Die Mittelwache war angebrochen - vier Glasen. An Land war es zwei Uhr in der Früh. Hayden stieg auf das Quarterdeck und blickte sich nach allen Himmelsrichtungen um. Er musste prüfen, ob sich das Wetter hielt. Am pechschwarzen Himmel funkelten die Sterne.
    »Alles so weit in Ordnung, Mr Landry?«
    Der Erste Leutnant war nur ein Schatten in der Dunkelheit, sein fliehendes Kinn war kaum zu erkennen.
    »Ja, Mr Hayden, abgesehen von gelegentlichem Nebel und einer unsteten Brise.«
    »Die Biskaya verlangt immer ihren Tribut. Und die Themis?«
    »Wickham ist auf dem Vorderdeck, Sir, und meint, er habe vorhin ein Licht gesehen. Ich selbst sah es nicht, aber er hat wahrscheinlich die besseren Augen.«
    »In der Tat. Sie dürfen sich etwas ausruhen, Mr Landry«, sagte Hayden. »Zwei Stunden in der Koje und etwas Essen kämen jetzt gewiss nicht ungelegen, nicht wahr?«
    »Ja, Sir.«
    Landry, nach wie vor nur schemenhaft zu erkennen, salutierte und zog sich zurück. Hayden machte einen Rundgang an Bord und vergewisserte sich, dass Mr Hawthornes Seesoldaten die Gefangenen unter Kontrolle hatten. Allerdings ließ er sich diesmal nicht die Tür zu den eingepferchten Franzosen öffnen. Es fiel ihm nicht gerade leicht, die Landsleute seiner Mutter derart bedrückt auf so engem Raum zu sehen.
    Auf dem Vorderdeck fand er Wickham, der durch sein Nachtglas spähte.
    »Ich habe gehört, Sie haben ein Licht gesehen?«
    Wickham, der in dem viel zu großen Uniformrock des französischen Leutnants wie ein Kind aussah, das Erwachsener spielt, ließ das Glas sinken und salutierte. »Nur ganz kurz, Mr Hayden. Seither zweimal. Wer auch immer dort fährt, wir sind in ihrem Kielwasser.«
    »Hoffen wir, dass es die Themis ist, denn da ich jetzt weiß, was meinem armen Diener widerfahren ist, möchte ich den Kerl an der Rahnock aufhängen, der Joshua ins Meer warf.«
    Wickham nickte. »Mr Hawthorne hat es mir erzählt, Mr Hayden. Ich bin unendlich traurig.« Einen Moment lang herrschte Schweigen. »Und nun ist dieser Papist Sanson ins Meer gesprungen, wie ich hörte.«
    »Ja. Ich denke, die ganze Familie stand dem Tod sehr nahe. Doch Sanson war sicherlich schwermütig, und solche Menschen nehmen sich oft das Leben.«
    »Eine Großtante von mir hat ihrem Leben eine Ende gesetzt, Sir, zum großen Kummer der Verwandtschaft.« Plötzlich zeigte er aufgeregt in die Nacht. »Dort! Haben Sie das gesehen? Nur ein mattes Aufleuchten, unmittelbar voraus.«
    Hayden blinzelte in die Dunkelheit und wollte förmlich erzwingen, dass das Licht noch einmal auftauchte, aber vergebens. Gute zehn Minuten stand er auf dem Vorderdeck, starrte in die Nacht, gab es aber schließlich auf.
    »Halten Sie mich auf dem Laufenden, Mr Wickham. Es geht mir nicht aus dem Kopf, dass sie uns vielleicht im Nacken spüren und sich in der Dunkelheit zurückfallen lassen, um uns eine Breitseite zu verpassen.«
    »Das werde ich nicht zulassen, Sir.«
    Kaum hatte Wickham seiner Zuversicht Ausdruck verliehen, als das Schiff in eine feuchte Nebelwolke fuhr. Tropfen bildeten sich am Schanzkleid und ließen die Planken an Deck noch dunkler erscheinen.
    »Dieser verfluchte Nebel«, grollte Barthe, als er zu den beiden auf das Vorderdeck trat. »Zäh wie Molasse und dicht über

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