Unterwelt
passiert?«
Ich komme zur Tür herein und sehe, wie das Licht auf die kühlen Wände trifft und die Farbe der Teppiche betont, die Aprikosen- und Bordeauxtöne, das unglaubliche Topasgold.
Am nächsten Abend erzählte ich Marian von dem, was ich getan hatte, oder vielleicht am übernächsten, von der Sache mit Donna in Mojave Springs. Ich dachte, ich müßte es ihr erzählen. Das war ich ihr schuldig. Ich erzählte es ihr um unseretwillen, zum Wohl unserer Ehe. Sie lag im Bett und las, als ich es ihr erzählte. Ich hatte mir viele Gedanken über den richtigen Zeitpunkt gemacht, und dann erzählte ich es ihr ganz plötzlich, ohne die geringste Vorwarnung. Ich erzählte ihr nicht, was ich zu Donna gesagt hatte oder warum Donna in dem Hotel war, und sie fragte auch nicht danach. Ich stand neben dem Armsessel, mein Hemd in der Hand, und ich fand, sie nahm es gut auf. Sie begriff, daß es ein isoliertes Ereignis mit einer Fremden in einem Hotel gewesen war, eine kurze Episode, für immer vorbei. Ich sagte ihr, ich hätte den Zwang verspürt, darüber zu reden. Ich sagte ihr, es sei schwer, das Thema anzusprechen, aber nicht so schwer, wie die Wahrheit zu verschweigen, und sie nickte, als ich das sagte. Ich fand, sie nahm es ziemlich gut auf. Sie verlangte nicht, mehr zu hören, als ich ihr schon erzählt hatte. Es herrschte eine taktvolle Atmosphäre im Zimmer, eine Sensibilität für Gefühle. Ich stand neben dem Sessel und wartete, daß sie umblätterte, damit ich mich ausziehen und ins Bett gehen konnte.
Und am ersten passenden Samstag, am ersten Samstag, als ich nicht ins Büro mußte, fuhren wir mit den Kindern nach Süden, um eine alte Ruine zu besichtigen.
Wir hatten Sonnenschutz und Mützen und Trinkwasser dabei, das war Marians Idee, also das Wasser, denn wir waren schließlich in der Wüstensteppe, und die Hitze war heftig.
Lainie stand hinter dem Vordersitz, manchmal drängelte sie sich zwischen Marian und mir nach vorn, beugte sich auf die Windschutzscheibe zu und zeigte flink auf irgendein dummes Manöver anderer Autofahrer. Darauf reagierte sie nämlich zornig, eine Angewohnheit, die meinen eigenen Arger verpuffen ließ, und Marians auch, vielmehr brachte es uns dazu, Entschuldigungen für das dumme und gefährliche Verhalten der anderen zu finden.
Jeff war zwei Jahre jünger, er war sechs und rollte sich gern in einer Ecke des Rücksitzes zusammen, Rolle und Ringel, manchmal rutschte er sogar auf den Boden, in astraler Loslösung von allem, was ihn umgab, und benutzte seinen Körper zum Tagträumen.
Selbst wenn es kein Gewehr war, was machte der da an der Autobahn, mit einer Metallkrücke im Schoß auf dem grasigen Seitenstreifen sitzend, nur wenige Meter von dem Irrsinns verkehr entfernt?
Die antike Ruine war über sechshundert Jahre alt, ein einzelner größerer Bau mit kleineren, verstreuten Überresten und den Spuren einer Mauer irgendwo. Wir standen in der Vormittagshitze da und hörten einige Minuten lang einer Nationalpark-Wächterin zu, bevor wir einer nach dem anderen loswanderten, obwohl eigentlich gar nichts anderes zu besichtigen war.
Ich las ein Schild und beobachtete dann Jeff, der sich an ein Backenhörnchen heranpirschte. Er hatte seine Mütze nicht auf, aber ich sagte nichts, ich dachte nur, Dumm gelaufen, Kleiner, sag nachher nicht, wir hätten dich nicht gewarnt. Dann wurde ich weich und rief ihn zu mir und gab ihm die Autoschlüssel. Die Anstrengung, weich zu werden, die Anstrengung, nachzugeben und mich zu erbarmen, ihn in seiner sorglosen Tolpatschigkeit zu lieben, war ein grausam schwieriges Unterfangen, so klein und flüchtig es auch scheinen mag – es fiel erstaunlich schwer. Aber ich rief ihn zu mir und gab ihm die Autoschlüssel, ich wußte, das würde ihm gefallen, und ich sagte ihm, er solle seine Mütze holen und den Wagen wieder abschließen und mir die Schlüssel bringen, und schon lief er los, glücklicher denn je.
Ich schlenderte zum Hauptgebäude zurück und stellte mich zu einem Dutzend Touristen, die der Parkwächterin zuhörten, einer bulligen Frau, die sich am Ellbogen kratzte. Man wisse nicht, erklärte sie, welchem Zweck dieser Bau gedient habe, der drei Stockwerke hoch war und oben schwache Graffitispuren aufwies. Ich merkte, daß die Schutzüberdachung mich mehr interessierte als das alte Gebäude. Die Wächterin sagte, es sei etwa hundert Jahre nach der Fertigstellung verlassen worden, das Gebäude und die ganze Siedlung, aus keinem nachweisbaren Grund,
Weitere Kostenlose Bücher