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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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früher. Dort hat er sich als Verteidiger der unterdrückten kriminellen Klasse die ersten Sporen verdient. Eine Woche nach diesem Ausflug erscheinen in der Curzon Street drei breitschultrige türkische Herren in glänzenden Anzügen, die ihre Anschrift im Pförtnerbuch mit »Istanbul« angeben und einen Termin mit Tiger persönlich haben. Oliver schwant nichts Gutes, denn als er unter einem Vorwand Pam Hawsley anruft, könnte er schwören, daß er durch die Wedgwood-Tür die näselnden Stimmen Hobans und Massinghams hört, aber Pamela gibt sich wie immer undurchsichtig:
    »Es ist eine Besprechung, Oliver. Mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
    Den ganzen Vormittag wartet er nervös darauf, gerufen zu werden, aber nichts geschieht. Zum Mittagessen geht Tiger mit seinen stämmigen Gästen ins Kat´s Cradle, aber sie sind schon aus dem Lift und auf der Straße, als Oliver sie wenigstens von weitem sieht. Als er ein paar Tage später ein zweitesmal Tigers Spesen prüft, findet er eine Reihe von Einträgen, neben denen jeweils nur das Wort »Istanbul« steht. Auch Massingham geht wieder auf Reisen. Seine häufigsten Ziele sind Brüssel, Nordzypern und Südspanien, wo eine Off-shore-Gesellschaft von Single in jüngster Zeit eine Kette von Discos, Ferienanlagen und Kasinos aufgezogen hat. Und da Randy Massingham im Börsenhandelsraum als Tatmensch und Pimpernell betrachtet wird, spekuliert man darüber, warum er einen so heiteren Eindruck macht und was für Geheimnisse er wohl in seiner schwarzen ex-außenministeriellen Aktentasche mit sich herumträgt.
    Dann, als Oliver eines Abends gerade seinen Schreibtisch abschließt, steht plötzlich Tiger bei ihm in der Tür und schlägt wie in den guten alten Zeiten. Kat läßt sich nicht blicken. Oliver vermutet, daß Tiger sie darum gebeten hat. Statt dessen bedient sie Alvaro, der Oberkellner. Tigers Ecktisch, ein Nest aus rotem Samt mit gedämpfter Beleuchtung, ist immer für ihn reserviert. Er hat sich für Ente und roten Bordeaux entschieden. Oliver nimmt das gleiche. Tiger bestellt zweimal Haussalat; daß Oliver Salat verabscheut, hat er vergessen. Sie beginnen wie üblich mit einer Debatte über Olivers Liebesleben. Da Oliver sich scheut, das Ende seiner Affäre mit Nina zuzugeben, beschönigt er die Sache lieber.
    »Du meinst, du willst endlich häuslich werden?« ruft Tiger aufs höchste belustigt. »Du liebe Zeit. Ich habe dich schon als flotten Junggesellen von vierzig gesehen.«
    »Manche Dinge kann man eben einfach nicht planen«, sagt Oliver reichlich naiv.
    »Hast du Jewgenij die gute Nachricht schon mitgeteilt?« »Wie denn? Der ist ja nicht zu erreichen.«
    Tiger hält mitten im Kauen inne, als sei die Ente nicht nach seinem Geschmack. Seine Augenbrauen ziehen sich zu einem brüchigen Giebel zusammen. Zu Olivers Erleichterung beginnen die Kiefer wieder zu mahlen. Die Ente mundet also doch. »Du bist doch auf seinem Landsitz gewesen, wenn ich mich recht erinnere«, sagt Tiger. »Wo er vorhatte, große Weine anzubauen. Richtig?«
    »Landsitz ist nicht das richtige Wort, Vater. Das sind bloß ein paar Dörfer in den Bergen.«
    »Aber doch wohl ein anständiges Haus?«
    »Leider nein. Nicht nach unseren Maßstäben.«
    »Aber doch ein aussichtsreiches Projekt, oder? Meinst du nicht, wir sollten da investieren?«
    Oliver gibt ein überlegenes Lachen von sich, aber zugleich wird ihm eiskalt bei der Vorstellung, daß Tigers Schatten bis nach Bethlehem reichen könnte.
    »Ich halte das für eine ziemliche Schnapsidee, ehrlich gesagt.
    würden. Bei dem würdest du buchstäblich das Geld zum
Fenster rauswerfen.«
»Wie kommst du darauf?«
    »Zunächst einmal hat er die Ausgaben für Infrastruktur nicht einkalkuliert« - er erinnert sich an Hobans verächtliche Bemerkungen zu dem Projekt -, »das könnte sich als Faß ohne Boden erweisen. Straßen, Wasser, das Gelände terrassieren, weiß der Himmel was noch. Er denkt, er kann örtliche Arbeitskräfte verwenden, aber die sind nicht ausgebildet; es gibt vier Dörfer, und die sind sich alle spinnefeind.« Er trinkt nachdenklich einen Schluck Rotwein, während er hektisch nach anderen Gründen sucht. »Jewgenij will das Ganze ja gar nicht modernisieren. Er malt sich das nur aus. Das ist ein Hirngespinst. Er hat geschworen, das Tal so zu lassen, wie es ist; gleichzeitig will er es industrialisieren und reich machen. Aber beides auf einmal geht nicht.« »Meint er es denn ernst?«
    »Wie der Papst. Sollte er mal ein paar

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