Vampirzorn
diese Kriegerhorden wussten, wie man einen Gegner vernichtete – eine Lanze oder ein Pfeil durchs Herz tötete einen Mann, doch erst sein Kopf auf einer Lanzenspitze stellte sicher, dass er auch wirklich tot war! Anschließend legten sie die Burg mitsamt allem, was sich darin befand, in Schutt und Asche, bis nichts mehr übrig blieb. So verfuhren diese barbarischen Krieger, und zwar beileibe nicht nur mit den Wamphyri. Ob ein derartiges Vorgehen gegen die Wamphyri einen Sinn hatte? Den hatte es! Es war die einzige Vorgehensweise, die etwas gegen sie ausrichtete: Pfahl, Schwert und Feuer ...
Und weil es nun einmal eine Zeit des Umbruchs und gewaltsamer Umwälzungen war, geriet die Legende vom blutrünstigen Vampir und vom Werwolf und die Tatsache, dass es die Wamphyri wirklich gab, beinahe in Vergessenheit. Wozu Mythen über grausame Ungeheuer, wo doch die ganze Welt ein einziges Blutbad war? Vierzig Jahre nach Radus Ankunft plünderten die Westgoten sogar Rom! Weitere fünfundvierzig Jahre später fiel es den Vandalen in die Hände, allerdings war Radu diesmal mit von der Partie. Denn wie jeder andere Vampirlord vor ihm konnte Radu einfach nicht widerstehen, wenn es um Blut ging – schon gar nicht, wenn es in solchen Strömen vergossen wurde.
Der Krieg zog Radu an wie das Licht eine Motte, und auch er verbrannte sich die Finger daran. Dies lag an den Befehlshabern, unter denen er diente, sie waren allesamt hinterhältig bis ins Letzte. Ach, was für Kriege! Selbst die mächtigsten der Alten Lords von der Sternseite konnten von so etwas nur träumen. Während der folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte kämpfte der Hunde-Lord als Söldner, den es auf blutigen Eroberungszügen mal hier-, mal dorthin verschlug.
Da Radu bis zu einem gewissen Grad über die Gabe der Traumdeutung verfügte, sah er mithilfe seiner Träume den Ausgang künftiger Schlachten voraus. Darum wusste er oft, welcher Seite er sich anschließen musste. Ebenso hielt er nach Anzeichen seiner alten Erzfeinde Ausschau, die mit ihm durch das Tor zu den Höllenlanden gekommen waren. Hin und wieder verfluchte er sich dafür, dass er sich nicht gleich, als sie noch geschwächt waren, mit ihnen befasst hatte. Andererseits war ja auch er nicht gerade in bester Verfassung gewesen.
Und einfältig? Oh ja, und wie einfältig er war. Seine Dienste an irgendwelche Kriegsherren zu verkaufen und anzunehmen, sie würden ihn auch tatsächlich dafür bezahlen und als ihresgleichen akzeptieren!
Geiserich, der Vandale, war der erste gewesen, der sich seiner bedient und ihn ausgenutzt hatte. Nach der Plünderung Roms hatte Radu sein Lager in den Colli Albani aufgeschlagen, zwölf Meilen außerhalb der besiegten Stadt. Natürlich musste er seine Leute von der normalen Soldateska fernhalten, schließlich waren sie nicht bloß Söldner und Guerilla-Kämpfer, sondern zugleich auch Mondkinder; ihm war klar, dass eine Verbrüderung nur dazu führen würde, dass dies ans Licht kam, und einer der wesentlichen Grundsätze eines jeden Vampirs war nun einmal, dass Anonymität gleichbedeutend mit einem langen Leben war. Hätte jemand auch nur geahnt, was Radu in Wirklichkeit war, hätten sie ihn und die Seinen auf der Stelle getötet! Weil der Hunde-Lord am liebsten nachts, bei Mondschein, zuschlug, hatte Geiserich ihm ohnehin bereits den Beinamen »Radu, Hund der Nacht« verliehen. Darum war es besser, wenn das wahre Ausmaß seiner Wolfsnatur ein Geheimnis blieb.
Doch wie dem auch sein mochte, Geiserich legte ihn herein und wandte sich gegen ihn. Denn was war Radu denn schon? Nichts als ein gemeiner, vielleicht etwas haariger Söldner mit einer Handvoll heulender Berserker, Hunde des Krieges eben! Doch nun war die Stadt gefallen, und Radu und sein Haufen hatten ihren Lohn erhalten. Geiserich hatte ihn in Gold bezahlt und ihn Frauen, Wein und weitere Beute aus der Stadt mitnehmen lassen ...
... Mittlerweile müsste er wohl betrunken in den Bergen sitzen, und all das schöne Gold war dahin.
Nun, vielleicht auch nicht.
Mithilfe einer Lüge – es hieß, eine Flotte aus dem östlichen Teil des Imperiums setze zum Gegenangriff an – wurde die Streitmacht des Hunde-Lords in zwei Trupps gespalten, die losgeschickt wurden, um »Verteidigungsstellungen« zu beziehen, wo sie in Hinterhalte der Vandalen gerieten. Von hundertfünfzig Männern blieben gerade mal zehn am Leben. Seine Frauen wurden vergewaltigt und erschlagen, sein Gold gestohlen, sein Bau in den Colli Albani zerstört.
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