Vaterland
erinnere an die Tausenden Unschuldigen, die gestorben seien? Revolutionäre Zeiten würden durch ihre eigenen Gesetze beherrscht. Sobald Deutschland den Krieg gewonnen habe, werde niemand mehr fragen, wie wir es gemacht hätten. Falls Deutschland den Kampf auf Leben und Tod verliere, würden wenigstens jene, die sich aus der Niederlage des Nationalsozialismus einen Profit erhofft hätten, ausgerottet sein. Es sei nötig, die biologischen Fundamente des Judaismus für immer zu beseitigen. Andernfalls würde das Problem erneut hervor b rechen, um künftige Generationen zu quälen. Das sei die Lehre der Geschichte.
Obergruppenführer Heydrich stellte ferner fest, daß ihm die nötigen Vollmachten, um diese Anordnung des Führers zu verwirklichen, von Reichsmarschall Göring am 31.7.41 erteilt worden seien.
Diese Angelegenheiten würden bei der bevorstehenden zwischenbehördlichen Konferenz besprochen werden. In der Zwischenzeit, drängte er mich, solle ich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, die Identität des Informanten von Dr. Feldscher herauszufinden. Es handele sich hier um eine Angelegenheit der allerhöchsten Siche r heitsstufe.
Ich regte daraufhin an, angesichts der Schwere der an s tehenden Fragen würde es vom rechtlichen Standpunkt aus angemessen sein, die Anordnung des Führers schriftlich zu bekommen. Obergruppenführer Heydrich erklärte hierzu, ein solches Vorgehen sei aus politischen Erwägungen u n möglich, wenn ich aber irgendwelche Bedenken hätte, sol l te ich sie dem Führer persönlich vortragen. Obergruppe n führer Heydrich beendete unser Gespräch, indem er in scherzhafter Weise bemerkte, eigentlich sollten wir keinen Grund für rechtliche Besorgnisse haben, da ich ja der obe r ste Gesetzesentwerfer des Reiches sei und er des Reiches oberster Polizist. Ich beschwöre, daß dies eine wahrheitsg e treue Widergabe unseres Gesprächs ist, auf der Grun d lage von Notizen, die ich mir noch am gleichen Abend g e macht habe.
Gez.: Wilhelm Stuckart (Rechtsanwalt )
Dat.: 4, Juni 1942, Berli n
Zeuge: Josef Bühler (Rechtsa n walt )
FÜNF
Jenseits der Stadt starb der Tag. Die Sonne versank hi n ter der Kuppel der Großen Halle und vergoldete sie wie die Kuppel einer riesigen Moschee. Mit Gebrumm sprangen die Flutlichter in der Siegesallee und auf der Ost-West-Achse an. Die Nachmittagsmenge schmolz, löste sich auf, bildete sich neu zu Abendschlangen vor Kinos und Resta u rants, während über dem Tiergarten ein Luftschiff im Dü s tern verloren dahindröhnte.
REICHSMINISTERIUM
GEHEIMES STAATSDOK U MENT FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITE N
TELEGRAMM DES DEUTSCHEN BOTSCHAFTERS IN LONDON, HERBERT VON DIRKSE N
Bericht über Unterhaltungen mit Botschafter Joseph P. Kennedy, Botschafter der Vereinigten Staaten in Großbr i tannie n
[Auszüge]
Eingegangen in Berlin am 13. Juni 1938:
Er kenne zwar Deutschland nicht, habe aber von den Verschiedensten Seiten gehört, daß die jetzige Regierung Großes für Deutschlan d getan habe und die deutsche B e völkerung zufrieden sei und in guten materiellen Verhäl t nissen lebe ...
Der Botschafter kam dann auf die Judenfrage zu spr e chen und sagte, daß sie natürlich von großer Bedeutung für di e deutschamerikanischen Beziehungen sei. Dabei sei es nicht so sehr die Tatsache, daß wir die Juden Ioswerden wollten, die uns s o schädlich sei, als vielmehr das lä r mende Getöse, das wir mit dieser Absicht verbänden. Er selbst habe durchaus Verständnis für unser e Judenpolitik; er stamme aus Boston und dort würden in einem Golf-Club und in anderen Clubs seit 50 Jahren keine Juden zugela s sen.
Eingegangen in Berlin am 18. Oktober 1938:
Wie bei früheren Unterhaltungen so erwähnte Kennedy auch heute, daß in den Vereinigten Staaten sehr starke ant i semitische Tendenzen bestünden und daß weite Teile der Bevölkerung für die deutsche Haltung gegenüber den J u den Verständnis hätten ... Nach seiner ganzen Persönlic h keit glaube ich, daß er mit dem Führer gut harmonieren würde.
»Das können wir nicht alleine schaffen.«
»Das müssen wir.«
»Bitte. Laß mich das zur Botschaft bringen. Die können es mit der Diplomatenpost rausschmuggeln.«
»Nein!«
»Du weißt doch nicht sicher, daß er uns verraten ...«
»Wer könnte es denn sonst sein? Und sieh dir das an. Glaubst du wirklich, amerikanische Diplomaten würden das anfassen wollen?«
»Aber wenn wir damit geschnappt werden ... Das ist das Todesurteil.«
»Ich hab
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