Vaters böser Schatten
die Tür von Rektor Lewis. „Sir? Mr. McCoy, Miss. Mackins und Mr. Blake möchten Mr. Hageman sprechen. Es scheint dringend zu sein.“
„Sie können hereinkommen.“
Mrs. Kindler ging beiseite, und die drei Freunde traten ein.
„Hallo, Rektor Lewis. Wir wollten eigentlich nur Mr. Hageman etwas fragen.“ Ryan sah zwischen dem Rektor und seinem Biologielehrer hin und her.
„Nur zu, fragen Sie“, antwortete Mr. Hageman.
„Also, wir würden gern wissen, ob die Möglichkeit besteht, den Test von Donnerstag zu wiederholen.“
Michelle und Leon, die hinter Ryan standen, schwiegen. Sie waren nicht so erbaut davon, den Test zu wiederholen, doch Ryan hatte sie überredet.
„Ich bin überrascht. Nicht, dass Sie ihn wiederholen wollen, Mr. McCoy, aber dass Miss. Mackins und Mr. Blake sich darum reißen, hätte ich nicht erwartet.“
„Tun wir auch nicht, doch Ryan meinte, dass wir es müssten“, grinste Leon.
„Ja, weil die Noten wichtig sind!“
Mr. Hageman wandte sich dem Rektor zu und schmunzelte. „Nun, es wird Sie vielleicht interessieren, dass wir eben genau das gleiche Thema besprochen haben. Es steht völlig außer Frage, dass Mr. McCoy den Test nachschreiben kann. Es war nicht sein Verschulden, dass er ihn versäumt hat.“
„Naja, so mehr oder weniger …“, murmelte Ryan.
„Aber warum sollten Sie ihn wiederholen dürfen?“, fragte der Lehrer nun Michelle und Leon.
„Sie wissen, wie wichtig Ryan mir ist … uns ist. Zu sehen, wie er verhaftet wurde; tut mir leid, aber ich konnte nicht sitzen bleiben und Michelle auch nicht. Wir … also, wir mussten doch zu ihm“, druckste Leon herum.
„Ich hätte mich sehr gewundert, wenn Sie tatsächlich geblieben wären. Ich kann mich noch gut an die Diskussionsrunde mit Miss. Peaks erinnern. Sie standen sich damals schon sehr nahe, auch wenn Ihre Meinungen ziemlich auseinandergegangen sind. Wie ich hörte, hat es sich in diesem Punkt geändert.“
Mr. Hageman schien sich wirklich zu amüsieren. Er betrachtete Leon, der Ryans Hand ergriff und Michelle, die sich neben Ryan stellte. „Seien Sie morgen Nachmittag um drei in meinem Klassenzimmer. Aber denken Sie nicht, dass Sie die gleichen Fragen bekommen wie Ihre Mitschüler.“
„Nein, das ist klar. Danke, Mr. Hageman!“ Ryan strahlte ihn fröhlich an, während Michelle und Leon eher unglücklich aussahen.
Den Abend verbrachten sie zu dritt. Ryan versuchte krampfhaft, den beiden den Unterrichtsstoff einzuprügeln.
Den Test brachten sie wider Erwarten richtig gut über die Bühne. Über Ryans Eins wunderte sich niemand, doch Leon strahlte, als Mr. Hageman ihm seinen Test wiedergab, auf dem ebenfalls eine Eins prangte. Michelle hatte eine Zwei geschafft, da sie bei der letzten Frage nicht weitergekommen war.
Ende der Woche hatte Ryan eine Idee nicht vergessen, die er schon seit Tagen mit sich herumschleppte. Nun war er sich sicher, diese in die Tat umsetzen zu wollen.
„Hey, Baby, hast du Lust auf einen Ausflug nach Miami?“
Leon starrte ihn an, als sei er der heilige Geist. „Ähm … was?“
„Ich habe dir doch von meiner Tante erzählt. Der Schwester meiner Mutter. Tante Claire.“
„Ja, ich weiß. Die mit dem Sohn, der in deinem Alter ist.“
„Dylan. Ich würde meine Mum gern zu ihnen bringen. Ich meine, sie hat einfach verdammt viel durchgemacht, und ich glaube, sie braucht eine Pause von all dem.“
„Ganz meine Meinung.“
„Tante Claire und Mum haben sich allerdings seit der Beerdigung meines Großvaters nicht mehr gesehen. Das ist jetzt sechs Jahre her. Sie hatten keinerlei Kontakt, und ich weiß nicht, ob sie wirklich hinfahren würde. Sie sagte früher immer, sie schäme sich, den Kontakt abgebrochen zu haben, dabei wussten wir beide, dass es wegen Dad war. Onkel Dave war ihm ein echter Dorn im Auge. Ich denke, wenn der Kontakt weiter bestanden hätte, wäre mein Vater nicht mit allem durchgekommen.“
„Du willst sie also hinbringen, ohne es ihr zu sagen?“
Ryan sah auf seine Finger und nickte. „Das Problem ist, dass Mum Flugangst hat. Sie würde nie in ein Flugzeug steigen.“
„Verstehe. Lass mich mal überlegen. Wenn wir morgen früh losfahren, so dass wir morgen Abend in Miami sind … wie lange fährt man dahin?“
„Ich trau es mir gar nicht zu sagen.“ Ryan wich seinem Blick aus.
„Na los, raus mit der Sprache!“
„Siebzehn Stunden!“
Leon öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken.
„Meinst du,
Weitere Kostenlose Bücher