Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
nicht ein guter Junge für deinen Onkel Rick und machst mit?“
Ich werde nicht auf diese Weise sterben! Ich werde nicht zulassen, dass Mutters Tod ungesühnt bleibt!
Mit einem lauten Wut- und Angstgebrüll riss Santos den Fuß los und trat nach dem Mann. Er traf Rick so fest am Kinn, dass dessen Kopf nach hinten flog.
Rick ließ los, und Santos flüchtete aus dem Van. Er strauchelte auf dem matschigen Seitenstreifen, rappelte sich hoch, glitt aus und fiel auf die Knie. Halb kriechend, versuchte er es wieder und stand schließlich.
Hektisch sah er sich um. Sein heftiger Atem kondensierte in der Luft zu kleinen Dampfwolken. Der Van stand genau zwischen dem Flussdamm des Mississippi auf der einen Seite und einem eingezäunten, stark bewachsenen Grundstück auf der anderen.
Die Tür der Fahrerseite flog auf, Rick sprang heraus. Ohne nachzudenken, rannte Santos los, die Straße hinunter.
Scheinwerfer durchschnitten die Dunkelheit. Ein Wagen kam um die Kurve, zu schnell, um anzuhalten, zu schnell, als dass er hätte ausweichen können. Wie aus weiter Ferne hörte Santos das Hupen, dann das Kreischen von Reifen.
Stechende Schmerzen durchfuhren ihn. Blendend weißes Licht erfüllte seinen Kopf, gefolgt vom Gefühl der Schwerelosigkeit, des Fliegens, des Schwebens wie ein Adler.
Einen Moment später wurde es schwarz um ihn herum.
15. KAPITEL
Großer Gott, ich habe ihn umgebracht!
Aufgeregt kauerte Lily Pierron neben der reglosen Gestalt des Jungen. Sie berührte seine Stirn und war etwas beruhigt, da sie sich warm und feucht anfühlte. Sie schob ihm das dunkle Haar aus dem Gesicht, und er stöhnte und bewegte sich leicht.
Er lebt, dachte sie, geradezu schwindelig vor Erleichterung. Dem Himmel sei Dank. Sie blickte die dunkle Straße entlang, unsicher, was sie tun sollte. Sie bezweifelte, dass zu dieser Nachtzeit zufällig ein Auto vorbeikam. Und abgesehen von ihrem eigenen gab es im Umkreis von einer halben Meile kein Haus. Sie legte die zitternde Hand an die Stirn. Sollte sie versuchen, ihn zu bewegen, oder ihn liegen lassen und Hilfe holen?
Keines von beidem schien ihr angebracht. Abhängig von der Schwere seiner Verletzungen konnte sie seinen Zustand verschlimmern, wenn sie ihn bewegte. Sie war weder jung noch stark, und ohne seine Mithilfe könnte sie ihn bestenfalls zum Auto zerren.
Bliebe noch, ihn liegen zu lassen und Hilfe zu holen. Lily dachte an den Fahrer des Van. Als sie ihm zugerufen hatte, er solle ihr helfen, war er in sein Auto gesprungen und losgeprescht, dass der Kies hochspritzte. Was immer der versucht hatte, als sie zufällig vorbeigekommen war, dieser Junge war auf der Flucht gewesen. Warum sonst hätte er so über die Straße rennen sollen?
Ein weiterer unangenehmer Gedanke kam ihr. Und wenn der Fahrer nun ein Stück entfernt wartete und beobachtete, ob sie den Jungen allein und hilflos zurückließ?
Weit hergeholt, dachte sie bei sich und rieb sich fröstelnd die Arme. Die meisten Kriminellen blieben nicht am Tatort, um zuzusehen, was weiter geschah. Die meisten Kriminellen brachten möglichst viel Abstand zwischen sich und ihre Tat. Trotzdem konnte sie den Verletzten nicht allein hier zurücklassen.
Der Junge stöhnte wieder und öffnete flatternd die Lider. Er sah sie verständnislos an.
„Alles in Ordnung mit dir?“ fragte sie eilig. „Ich habe dich nicht gesehen. Ich kam um die Kurve, und da warst du plötzlich. Ich habe versucht zu bremsen, wirklich. Es … es tut mir so Leid.“
Ihm fielen die Augen wieder zu, sein Gesicht war schmerzverzerrt.
„Großer Gott!“ Lily legte eine Hand an ihre Brust. „Wo tut es dir weh? Wie schlimm ist es?“ Resigniert raunte sie: „Als könnte ich dir helfen, selbst wenn du etwas sagen würdest. Verdammt, wo ist ein Arzt, wenn man ihn braucht? Überbezahlte Quacksalber.“ Sie amtete tief durch, um ruhiger zu werden. „Mach dir keine Sorgen. Ich hole Hilfe.“
Als sie aufstehen wollte, griff er erstaunlich kraftvoll nach ihrer Hand. Verblüfft sah sie auf ihn hinab. Er hatte die Augen geöffnet und blickte sie so durchdringend an, dass sie erschrak. Dann richtete er den Blick auf die andere Straßenseite.
Lily verstand. „Fort“, erklärte sie. „Er haute einfach ab, als ich anhielt. Falls er ein Freund von dir war, solltest du dir deine Freunde ein bisschen sorgfältiger auswählen.“
„War … er nicht …“
Er sprach schleppend, und seine Augenlider flatterten, als sei ihm schwindelig. Lily schimpfte leise vor sich hin.
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