Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
Ort?“
„Hier haben wir gelebt“, antwortete er und wandte sich wieder dem Gebäude zu. „Meine Mutter und ich.“ Er ging zum Eingang, und das Herz war ihm unerträglich schwer. Vor Kummer atmete er flach und hörte sein Blut in den Ohren rauschen. „Hier ist sie gestorben. Sie wurde … ermordet. Von einem Freier, sagte man. Durch sechzehn Messerstiche. Hier“, fuhr er mehr zu sich selbst fort und blieb stehen. „Genau hier habe ich sie gesehen. Hier habe ich das Laken zurückgeschlagen und … ihr Gesicht gesehen.“
Vor seinem geistigen Auge sah er, wie sie in jener Nacht gewesen war: totenbleich, leblos, brutal rot. Er unterdrückte einen Aufschrei und die Tränen, die ihm in die Augen traten. „Sie war so schön. Und ihr Tod war so … hässlich. Sie hatte nicht verdient, auf diese Weise zu sterben. Es war nicht fair. Es war nicht …“ Er verschluckte die Worte, verdrängte seinen Schmerz und schwor zornig: „Ich werde den Bastard finden, der das getan hat. Ich werde ihn finden und zur Rechenschaft ziehen.“
Glory führte seine Hand an ihre Lippen, und ihre Tränen benetzten seine Finger.
Von der Straße ertönte lautes Hupen und Schimpfen. Santos blockierte mit seinem in der Mitte stehenden Wagen die schmale Fahrbahn. Er ignorierte den aufgebrachten Fahrer noch einen Moment und schloss die Finger um Glorys. „Verstehst du jetzt, wie wenig wir gemeinsam haben, Prinzessin? Siehst du, wer ich bin?“
Anstatt sich entsetzt abzuwenden oder nur Mitgefühl zu bekunden, umschlang sie ihn mit beiden Armen. Sie legte Santos die Wange an die Brust und hielt ihn fest. „Tut mir Leid“, sagte sie leise mit tränenerstickter, aber fester Stimme. Sie drückte ihn an sich. „Es tut mir so schrecklich Leid.“
Einen Moment blieb Santos starr, wollte ihren Trost zurückweisen und die Gefühle leugnen, die sie weckte. Dann umarmte er sie und vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden Haar. „Ich habe sie geliebt“, sagte er mit leiser, erstickter Stimme.
„Ich weiß.“
Zum Hupen der Autos hielten sie einander umschlungen.
26. KAPITEL
Jene Momente im French Quarter änderten alles zwischen Glory und Santos. Aus zwei Fremden waren zwei Vertraute geworden, verbunden durch zarte, aber machtvolle Bande.
Glory akzeptierte diese neue Verbindung fraglos, Santos konnte das nicht. Er bekämpfte sie innerlich und sagte sich, seine Gefühle für Glory seien verrückt, irrational und gefährlich, und vor allem nicht echt. Er betonte immer wieder, sie hätten nichts gemeinsam. Zugleich hatte er das Gefühl, sie entwickelten eine aufrichtige Beziehung.
Am Anfang gaben sie sich damit zufrieden, sich zwei, drei Mal die Woche zu sehen, oft nicht länger als ein oder zwei Stunden. Sie trafen sich an der Schule, in der Bibliothek oder im Einkaufscenter und gingen zusammen weg. Zuerst genügte es ihnen, sich zu küssen, zu umarmen und nur zusammen zu sein.
Doch je häufiger sie zusammen waren, desto mehr Zeit wollten sie miteinander verbringen. Je häufiger sie sich berührten, desto heftiger wurde das gegenseitige Verlangen. Sie wurden gierig und tollkühn. Glory ging Risiken ein, die selbst sie früher für zu groß gehalten hätte.
Dabei wuchs die Angst vor Entdeckung ständig. Nicht mehr lange, und ihre Mutter kam ihnen auf die Schliche. Und dann würde sie garantiert einen Weg finden, sie beide auseinander zu bringen.
Trotzdem konnte Glory sich nicht überwinden, auf Nummer Sicher zu gehen. Länger als vierundzwanzig Stunden ohne Santos zu sein schien ihr unvorstellbar. Er war ihre Sonne, ohne die sie verkümmern und sterben würde.
Deshalb bat sie Liz um Hilfe. Und Liz deckte ihre Rendezvous, wenn Glory mit Santos allein sein wollte, einer in den Armen des anderen.
So wie heute Abend.
Santos hatte Glory hinter jenem Kino aufgelesen, in dem sie sich angeblich mit Liz einen Film ansah, und war mit ihr in einen abgelegenen Teil des Lafreniere Parks gefahren.
Er parkte den Wagen und schaltete die Scheinwerfer aus. Sofort fiel Glory ihm lachend um den Hals und hielt ihm auffordernd das Gesicht hin. Er bedeckte es mit Küssen, so hungrig nach ihr, wie sie nach ihm.
Während er sie küsste, streichelte sie ihn. Doch Berührungen durch die Kleidung reichten ihr nicht mehr. Sie zog ihm das Hemd aus der Jeans und ließ ihre Hände über seinen muskulösen Oberkörper wandern. Der war glatt, warm und unwiderstehlich. Seine Haut zu berühren war ein himmlisches Gefühl.
„Ich habe dich so vermisst“, flüsterte
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