Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
zwar so natürlich als möglich. Das Natürlichste wäre, gar nicht zu jammern. Forciert nicht jammern. Nein, ›forciert‹ wäre wieder unnatürlich ... Nun, es wird sich schon irgendwie machen ... wir wollen sehen ... gleich ... Ist es gut oder nicht gut, daß ich hingehe? Der Falter fliegt selbst ins Licht. Das Herz klopft so, und das ist nicht gut! ... –
    »In diesem grauen Hause«, sagte Rasumichin.
    – Das Wichtigste ist, ob Porfirij weiß oder nicht weiß, daß ich gestern bei dieser Hexe in der Wohnung gewesen bin ... und nach dem Blut gefragt habe ... Das muß ich sofort feststellen, gleich beim ersten Schritt, wenn ich eintrete, ich muß es in seinem Gesichte lesen: sonst ... und wenn ich auch zugrundegehe, – ich muß es feststellen! –
    »Weißt du was?« wandte er sich plötzlich an Rasumichin mit einem schalkhaften Lächeln. »Mir ist es schon heute früh aufgefallen, daß du in so ungewöhnlicher Erregung bist! Ist es so?«
    »In was für einer Erregung? In gar keiner Erregung!« rief Rasumichin auffahrend.
    »Nein, Bruder, es ist dir doch anzusehen. Vorhin hast du auf dem Stuhle so gesessen, wie du sonst nie zu sitzen pflegst: nur am äußersten Endchen, und zucktest, als ob du Krämpfe hättest. Ganz ohne jeden Grund sprangst du auf. Bald warst du böse und machtest bald wieder ein zuckersüßes Gesicht. Du wurdest sogar rot; besonders, als man dich zum Essen einlud, da wurdest du furchtbar rot.«
    »Nichts dergleichen! Du lügst! ... Was meinst du eigentlich damit?«
    »Du drehst und windest dich wie ein Schuljunge! Pfui Teufel, da ist er schon wieder rot geworden!«
    »Was bist du eigentlich für ein Schwein!«
    »Und warum bist du verlegen? Romeo! Wart nur, ich werde es heut irgendwem wiedererzählen, ha-ha-ha! Mein Mamachen wird darüber lachen ... und noch jemand ...«
    »Hör, hör, hör, im Ernst, das ist doch ... Was soll es denn heißen, Teufel!« rief Rasumichin ganz verwirrt und kalt vor Schreck. »Was willst du ihnen erzählen? Ich werde, Bruder ... Pfui, was du für ein Schwein bist!«
    »Du bist einfach eine Frühlingsrose! Und wie dir das steht, wenn du es bloß wüßtest! Ein baumlanger Romeo! Und wie du dich heute gewaschen hast, hast dir sogar die Nägel gereinigt, wie? Wann hat man das bei dir gesehen? Bei Gott, du hast dir sogar das Haar mit Pomade eingeschmiert! Bück dich mal!«
    »Schwein!!!«
    Raskolnikow lachte so, daß er sich anscheinend nicht mehr halten konnte. Mit diesem Lachen traten sie auch in die Wohnung Porfirij Petrowitschs. Das war alles, was Raskolnikow wollte: in der Wohnung konnte man natürlich hören, daß sie lachend eingetreten waren und im Vorzimmer noch immer lachten.
    »Kein Wort hier, oder ich ... zermalme dich!« flüsterte Rasumichin wütend und packte Raskolnikow an der Schulter.
     
V
     
    Jener trat aber schon in die Wohnung. Er sah dabei so aus, als nähme er sich mit aller Gewalt zusammen, um nicht wieder loszuplatzen. Ihm folgte mit gänzlich entstelltem, wütendem Gesicht, rot wie eine Pfingstrose und verlegen der lange und linkische Rasumichin. Sein Gesicht und seine ganze Figur waren in diesem Augenblick wirklich komisch und rechtfertigten Raskolnikows Lachen. Raskolnikow, der noch nicht vorgestellt war, verbeugte sich vor dem Hausherrn, der mitten im Zimmer stand und die beiden fragend ansah; dann reichte er ihm die Hand und drückte die seine, immer noch mit dem Ausdrucke der größten Anstrengung, seine Heiterkeit zu unterdrücken oder wenigstens einige Worte zu sagen, um sich vorzustellen. Kaum hatte er aber ein ernstes Gesicht gemacht und etwas gemurmelt, als er plötzlich wie unwillkürlich wieder Rasumichin anblickte und sich nicht mehr beherrschen konnte: das unterdrückte Lachen kam um so ungestümer zum Ausbruch, je stärker es bisher zurückgehalten worden war. Die ungewöhnliche Wut, mit der Rasumichin dieses »herzliche« Lachen aufnahm, verlieh dieser ganzen Szene den Anschein einer aufrichtigen Lustigkeit und, was die Hauptsache war, Natürlichkeit. Rasumichin half wie mit Absicht nach.
    »Pfui Teufel!« brüllte er, schwang den Arm und traf ein kleines rundes Tischchen, auf dem ein leeres Teeglas stand.
    Alles flog klirrend zu Boden.
    »Warum soll man gleich die Möbel demolieren, meine Herren? Das ist bloß ein Schaden für den Staat!« rief Porfirij Petrowitsch lustig.
    Die Szene stellte sich wie folgt dar: Raskolnikow beendete gerade seine Lachsalve, seine Hand in der des Hausherrn lassend, und wartete, doch mit Takt,

Weitere Kostenlose Bücher