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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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sagte Raskolnikow mit einem ungeschickten Lächeln und bemühte sich, ihm gerade in die Augen zu sehen; er konnte sich aber nicht enthalten und fügte plötzlich hinzu:
    »Ich sagte es eben, weil wohl sehr viele Pfandgeber waren ... so daß es für Sie wohl schwer sein muß, sich alle zu merken ... Sie aber erinnern sich an alle so deutlich und ... und ...«
    – Dumm! Schwach! Wozu habe ich es bloß hinzugefügt! –
    »Fast alle Pfandgeber sind jetzt schon bekannt, so daß Sie der einzige sind, der uns noch nicht aufgesucht hat«, antwortete Porfirij mit einem kaum wahrnehmbaren Anfluge von Spott.
    »Ich war nicht ganz wohl.«
    »Auch davon habe ich gehört. Ich habe sogar gehört, daß etwas Sie tief erschüttert hat. Sie scheinen mir auch jetzt etwas bleich!«
    »Ich bin gar nicht bleich ... im Gegenteil, ich bin vollkommen gesund!« schnitt ihm Raskolnikow grob und gehässig ab, plötzlich den Ton ändernd.
    Er schäumte vor Wut und konnte sie nicht unterdrücken.
    – Und gerade in der Wut werde ich mich versprechen! – ging es ihm wieder durch den Sinn. – Warum quälen sie mich bloß so ... –
    »Du bist vollkommen gesund?« fiel ihm Rasumichin ins Wort. »Was er da sagt! Bis gestern war er bewußtlos und phantasierte ... Wirst du es mir glauben, Porfirij: er konnte fast nicht auf den Beinen stehen, aber kaum waren wir, ich und Sossimow, für einen Augenblick weg, als er sich anzog, durchbrannte und sich irgendwo fast bis Mitternacht herumtrieb! Und das, sage ich dir, im höchsten Fieber, kannst du dir so was vorstellen?! Ein merkwürdiger Fall!«
    »Wirklich im Fieber ? Was Sie nicht sagen!« versetzte Porfirij und schüttelte mit weibischer Gebärde den Kopf.
    »Ach, Unsinn! Glauben Sie es nicht! Sie glauben es übrigens auch so nicht!« entschlüpfte es Raskolnikow in übertriebener Wut.
    Porfirij Petrowitsch schien aber diese merkwürdigen Worte überhört zu haben.
    »Wie konntest du überhaupt weggehen, wenn du nicht im Fieber warst?« ereiferte sich plötzlich Rasumichin. »Wozu bist du weggegangen? Zu welchem Zweck? ... Und warum heimlich? Nun, warst du vielleicht bei klarem Verstand? Jetzt, wo die ganze Gefahr vorbei ist, sage ich es dir geradeaus!«
    »Sie haben mir gestern so furchtbar zugesetzt«, wandte sich Raskolnikow plötzlich an Porfirij mit frech herausforderndem Lächeln, »und ich lief von ihnen weg, um mir eine Wohnung zu mieten, damit sie mich nicht wiederfinden; ich nahm auch einen Haufen Geld mit. Herr Samjotow hat das Geld gesehen. Nun, Herr Samjotow, war ich gestern vernünftig oder im Fieber, entscheiden Sie den Streit!«
    Er wäre wohl in diesem Augenblick imstande gewesen, Samjotow zu erwürgen. Sein Blick und sein Schweigen mißfielen ihm schon sehr.
    »Meiner Ansicht nach sprachen Sie sehr vernünftig und sogar schlau, aber Sie waren allzu reizbar«, erklärte Samjotow trocken.
    »Heute erzählte mir Nikodim Fomitsch,« bemerkte Porfirij Petrowitsch, »er hätte Sie gestern spät am Abend in der Wohnung eines überfahrenen Beamten getroffen ...«
    »Ach ja, das mit dem Beamten!« fiel ihm Rasumichin ins Wort. »Warst du vielleicht nicht verrückt bei diesem Beamten? Das letzte Geld gab er der Witwe für die Beerdigung her! Wenn du ihr helfen wolltest, konntest du ihr fünfzehn, auch zwanzig Rubel geben und wenigstens fünf Rubel für dich behalten, du gabst ihr aber die ganzen fünfundzwanzig!«
    »Vielleicht habe ich irgendwo einen Schatz gefunden, und du weißt es noch nicht? ... Darum war ich gestern auch so freigebig ... Herr Samjotow weiß, daß ich einen Schatz gefunden habe! ... Entschuldigen Sie«, wandte er sich mit bebenden Lippen an Porfirij, »daß wir Sie mit solchen Dummheiten schon eine halbe Stunde belästigen! Sie haben uns doch schon sicher satt?«
    »Aber ich bitte Sie, im Gegenteil, ganz im Gegenteil! Wenn Sie bloß wüßten, wie Sie mich interessieren! Es ist so interessant, zuzusehen und zuzuhören ... und ich bin, offen gestanden, so froh, daß Sie endlich gekommen sind ...«
    »Gib uns doch wenigstens Tee! Die Kehle ist mir ganz eingetrocknet!« rief Rasumichin.
    »Eine ausgezeichnete Idee! Vielleicht trinkt die ganze Gesellschaft mit? Willst du vielleicht ... etwas Wesentlicheres vor dem Tee zu dir nehmen?«
    »Scher dich!«
    Porfirij Petrowitsch ging hinaus, um den Tee zu bestellen.
    Die Gedanken wirbelten im Kopfe Raskolnikows. Er war furchtbar gereizt.
    – Das Auffallendste ist, daß sie es nicht mal verbergen und sich gar nicht genieren! Warum

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