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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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über das Blut hinwegzuschreiten – übrigens je nach der Idee und ihrer Größe –, was ich Sie zu beachten bitte. Nur in diesem Sinne spreche ich in meinem Aufsatz über das Recht solcher Menschen auf Verbrechen. (Entsinnen Sie sich, bitte, daß wir mit einer juristischen Frage angefangen haben.) Übrigens liegt keine Ursache zur Beunruhigung vor: die Menge erkennt ihnen dieses Recht fast nie zu, sie richtet sie hin und hängt sie (mehr oder weniger) und erfüllt dadurch vollkommen richtig ihre konservative Bestimmung, doch mit der Folge, daß die gleiche Menge in den folgenden Generationen die Hingerichteten auf ein Piedestal erhebt und anbetet (mehr oder weniger). Die erste Kategorie ist immer die Herrin der Gegenwart, die zweite – die Herrin der Zukunft. Die ersteren erhalten die Welt und vermehren sie quantitativ; die letzteren bewegen die Welt und führen sie ans Ziel. Die einen wie die anderen haben das vollkommen gleiche Recht zu existieren. Mit einem Worte, alle haben bei mir das gleiche Recht, und – vive la guerre éternelle – bis zum neuen Jerusalem natürlich!«
    »Sie glauben also doch an das neue Jerusalem?«
    »Ich glaube daran«, antwortete Raskolnikow sehr bestimmt. Als er das sagte, wie auch während seiner ganzen Tirade blickte er zu Boden, auf einen Punkt, den er sich auf dem Teppiche ausgesucht hatte.
    »Und ... glauben Sie an Gott? Entschuldigen Sie meine Neugier.«
    »Ich glaube an ihn«, wiederholte Raskolnikow, die Augen zu Porfirij emporhebend.
    »Und ... glauben Sie auch an die Auferstehung des Lazarus?«
    »Ich glaube. Was brauchen Sie das zu wissen?«
    »Glauben Sie buchstäblich daran?«
    »Ja, buchstäblich.«
    »So, so ... Ich habe bloß gefragt. Entschuldigen Sie. Aber erlauben Sie – ich kehre wieder zum Alten zurück, – sie werden doch nicht immer hingerichtet; manche im Gegenteil ...«
    »Triumphieren bei Lebzeiten? O ja, manche erreichen es auch bei Lebzeiten, und dann ...«
    »Dann beginnen sie selbst hinzurichten?«
    »Wenn es sein muß und, wissen Sie, sogar meistenteils. Ihre Bemerkung ist überhaupt geistreich.«
    »Ich danke. Sagen Sie mir aber folgendes: Wie unterscheidet man bloß die Ungewöhnlichen von den Gewöhnlichen? Gibt es vielleicht solche angeborene Abzeichen? Ich meine es in dem Sinne, daß hier mehr Klarheit, mehr, sozusagen, äußerliche Präzision vonnöten ist: entschuldigen Sie mir die natürliche Besorgnis eines praktischen und rechtlich denkenden Menschen, aber könnte man für sie nicht zum Beispiel eine eigene Kleidung einführen, oder Stempel auf den Stirnen? ... Denn Sie werden doch zugeben: wenn ein Durcheinander entsteht, wenn ein Mensch von der einen Kategorie sich einbildet, zu der anderen Kategorie zu gehören, und anfängt, ›alle Hindernisse zu beseitigen‹, wie Sie sich so treffend ausgedrückt haben, so kann es ...«
    »Oh, das kommt sehr oft vor! Diese Bemerkung von Ihnen ist sogar noch besser als die vorige ...«
    »Ich danke ...«
    »Keine Ursache; ziehen Sie aber, bitte, in Betracht, daß ein Irrtum nur seitens der ersten Kategorie möglich ist, das heißt seitens der ›gewöhnlichen‹ Menschen (wie ich sie vielleicht nicht ganz glücklich genannt habe). Trotz ihrer angeborenen Neigung zum Gehorsam, bilden sich sehr viele von ihnen, infolge eines besonders lebhaften Temperaments, der auch einer Kuh nicht versagt ist, gerne ein, fortschrittliche Menschen, ›Zerstörer‹ zu sein und mit einem ›neuen Worte‹ zu kommen, und das durchaus aufrichtig. Dabei sehen sie die tatsächlich Neuen zuweilen gar nicht; sie verachten sie sogar als zurückgebliebene und niedrig denkende Menschen. Meiner Ansicht nach ist hier eine große Gefahr nicht zu befürchten, und Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen, denn diese Menschen machen niemals große Sprünge. Wenn sie sich zu sehr hinreißen lassen, so kann man sie höchstens mit Ruten züchtigen, um sie an die ihnen gebührende Stellung zu erinnern; dazu braucht man nicht mal einen Vollstrecker: sie werden sich selbst züchtigen, denn sie sind sehr sittsam: manche von ihnen erweisen einander diesen Dienst, und die anderen besorgen es eigenhändig ... Dabei legen sie sich allerlei öffentliche Bußen auf, – es wirkt hübsch und belehrend; mit einem Worte, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen ... Es gibt so ein Gesetz.«
    »Nun, Sie haben mich wenigstens in dieser Beziehung einigermaßen beruhigt; aber ich befürchte etwas anderes: sagen Sie, bitte, gibt es viele solche

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