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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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gutmütigsten Ausdruck hinzu.
    »Sie wollen mich offiziell vernehmen, mit allem, was drum und dran ist?« fragte Raskolnikow scharf.
    »Aber warum denn? Vorläufig ist es gar nicht nötig. Sie haben mich falsch verstanden. Sehen Sie, ich lasse mir keine Gelegenheit entgehen und habe schon mit allen Pfandgebern gesprochen ... manche von ihnen habe ich auch vernommen ... und Sie, als der letzte ... A propos!« rief er plötzlich über etwas erfreut. »Es fällt mir eben ein, was habe ich bisher geschwiegen? ...« wandte er sich an Rasumichin. »Du hast mir damals mit diesem Nikolaschka die Ohren vollgeblasen ... nun, ich weiß auch selbst, ich weiß auch selbst,« wandte er sich wieder an Raskolnikow, »daß der Bursche unschuldig ist, aber was kann ich machen? Ich mußte auch den Mitjka belästigen ... Die Sache ist nämlich die: als Sie über die Treppe gingen ... erlauben Sie, Sie waren doch gegen acht Uhr dort?«
    »Ja, gegen acht«, antwortete Raskolnikow mit dem unangenehmen Gefühl, daß er dies auch nicht zu sagen brauchte.
    »Nun, als Sie gegen acht über die Treppe gingen, sahen Sie da nicht im ersten Stock, in einer offen stehenden Wohnung – Sie erinnern sich doch noch? – zwei Arbeiter oder wenigstens einen von ihnen? Die haben dort gestrichen, haben Sie es nicht bemerkt? Das ist für Sie sehr wichtig! ...«
    »Anstreicher? Nein, ich habe keine gesehen ...« antwortete Raskolnikow langsam, wie in seiner Erinnerung wühlend und zugleich sein ganzes Wesen anspannend und vor Qual ersterbend, um zu erraten, wo ihm hier eine Falle gestellt sei, und um nichts zu übersehen. »Nein, ich habe sie nicht gesehen und kann mich auch an eine offenstehende Wohnung nicht erinnern ... aber im dritten Stock (er hatte schon die Falle erkannt und triumphierte), ich kann mich gut erinnern, da zog gerade irgendein Beamter aus ... gerade gegenüber Aljona Iwanowna ... daran kann ich mich gut erinnern ... Soldaten trugen ein Sofa heraus und drückten mich an die Wand ... aber Anstreicher, nein, ich kann mich nicht erinnern, daß Anstreicher dagewesen wären ... es stand auch, glaub ich, nirgends eine Wohnung offen. Nein, ganz gewiß nicht ...«
    »Was fällt dir ein!« rief plötzlich Rasumichin, dem es erst eben eingefallen war. »Die Anstreicher haben ja erst am Tage des Mordes gearbeitet, er aber war drei Tage vorher dort! Warum fragst du ihn danach?«
    »Teufel, ich hab es verwechselt!« sagte Porfirij und schlug sich vor die Stirn. »Hol der Teufel, dieser Fall hat mich ganz verrückt gemacht!« wandte er sich, sich gleichsam entschuldigend an Raskolnikow. »Es liegt uns doch so viel daran, zu erfahren, ob jemand Sie um die achte Stunde in der Wohnung gesehen hat. Darum bildete ich mir ein, daß auch Sie etwas darüber sagen könnten ... ich habe es wirklich verwechselt!«
    »Man muß aufmerksamer sein«, bemerkte Rasumichin finster.
    Die letzten Worte wurden schon im Vorzimmer gesagt. Porfirij Petrowitsch begleitete sie äußerst freundlich bis zur Tür. Die beiden traten düster und verstimmt auf die Straße und redeten bei den ersten Schritten kein Wort. Raskolnikow holte schwer Atem ...
     
VI
     
    »... Ich glaube es nicht! Ich kann es nicht glauben!« sagte der verblüffte Rasumichin immer wieder, indem er sich bemühte, die Einwände Raskolnikows zu widerlegen.
    Sie näherten sich schon den möblierten Zimmern Bakalejews, wo Pulcheria Alexandrowna und Dunja sie schon längst erwarteten. Rasumichin blieb unterwegs in der Hitze des Gesprächs jeden Augenblick stehen, schon dadurch allein verwirrt und aufgeregt, daß sie zum erstenmal darüber sprachen.
    »Glaub es ja nicht!« antwortete ihm Raskolnikow mit einem kalten und nachlässigen Lächeln. »Du hast wie immer nicht achtgegeben, ich aber wog jedes Wort ab.«
    »Du bist argwöhnisch, und darum wogst du auch die Worte so ab ... Hm ... das stimmt, und ich gebe zu, daß Porfirijs Ton etwas merkwürdig war, und besonders dieser Schuft Samjotow! ... Du hast recht, es war schon etwas dabei; doch warum, warum?«
    »Er hat es sich über Nacht überlegt.«
    »Nein, im Gegenteil, ganz im Gegenteil! Wenn sie diesen blöden Gedanken hätten, so müßten sie ihn doch mit aller Kraft verbergen und ihre Karten verdeckt halten, um dich später zu ertappen ... Jetzt aber war es so frech und unvorsichtig!«
    »Wenn sie Tatsachen hätten, das heißt wirkliche Tatsachen oder einigermaßen begründete Verdachtsmomente, so würden sie tatsächlich ihr Spiel verbergen, in der

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