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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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gegen acht Uhr dagewesen seiest. Mit dieser Dummheit hätte er dich erwischt.«
    »Darauf hat er eben gerechnet, daß ich es mir in der Eile nicht überlege und mich beeile, möglichst wahrheitsähnlich zu antworten, dabei aber vergesse, daß zwei Tage vorher keine Arbeiter da sein konnten.«
    »Ja, wie kann man so was vergessen?«
    »Das ist das leichteste! Auf solche Kleinigkeiten fallen die schlauen Leute am leichtesten herein. Je schlauer ein Mensch ist, um so weniger befürchtet er, auf dem Einfachsten ertappt zu werden. Den schlausten Menschen muß man gerade mit dem Einfachsten fangen. Porfirij ist gar nicht so dumm, wie du glaubst ...«
    »Ein Schuft ist er nach alledem!«
    Raskolnikow konnte sich des Lachens nicht enthalten. Im gleichen Augenblick kamen ihm aber seine Begeisterung und die Bereitwilligkeit, mit der er die letzte Erklärung vorgebracht hatte, sonderbar vor, um so mehr, als er sich am vorhergehenden Gespräch mit finsterem Widerwillen, nur eines bestimmten Zweckes wegen, aus Notwendigkeit beteiligt hatte.
    – Ich bekomme noch Geschmack an manchen Punkten! – dachte er.
    Aber im gleichen Augenblick wurde er wieder unruhig, als hätte ihn ein unerwarteter, beunruhigender Gedanke überrascht. Seine Unruhe wurde immer größer. Sie befanden sich schon vor dem Eingange zu den möblierten Zimmern Bakalejews.
    »Geh allein hinauf«, sagte plötzlich Raskolnikow, »ich komme gleich zurück.«
    »Wo willst du denn hin? Wir sind ja schon da!«
    »Ich muß, ich muß; ich hab zu tun ... ich komme in einer halben Stunde ... Sag es ihnen dort.«
    »Wie du willst, ich gehe aber mit dir.«
    »Nun, auch du willst mich wohl totquälen!« rief er mit so bitterer Gereiztheit, mit solcher Verzweiflung im Blick, daß Rasumichin die Hände sinken ließ. Eine Weile stand er vor der Haustür und blickte finster dem anderen nach, der sich schnell in der Richtung nach seiner Gasse entfernte. Schließlich biß er die Zähne zusammen, ballte die Fäuste und ging, nachdem er sich das Gelübde geleistet hatte, den ganzen Porfirij heute noch wie eine Zitrone auszupressen, hinauf, um die wegen ihres langen Ausbleibens besorgte Pulcheria Alexandrowna zu beruhigen.
    Als Raskolnikow sein Haus erreichte, waren seine Schläfen mit Schweiß bedeckt, und er atmete schwer. Er stieg schnell die Treppe hinauf, trat in seine unverschlossene Kammer und hakte sofort die Tür zu. Dann stürzte er sich in wahnsinniger Angst in die Ecke zum Loch unter der Tapete, wo die Sachen gelegen hatten, steckte die Hand hinein und wühlte einige Minuten sorgfältig herum, alle Winkel und Falten in der Tapete untersuchend. Nachdem er nichts gefunden hatte, stand er auf und holte tief Atem. Vorhin, vor dem Hause Bakalejews war es ihm plötzlich eingefallen, daß irgendein Gegenstand, ein Kettchen, ein Hemdknopf oder sogar ein Papierchen, in das sie eingewickelt waren, mit einem Vermerk von der Hand der Alten auf irgendeine Weise in eine Ritze hineingefallen und dort liegengeblieben sein könnte, um dann als ein unerwarteter und unwiderlegbarer Beweis vor ihm aufzutauchen.
    Er stand wie nachdenklich da, und ein sonderbares, demütiges, halb sinnloses Lächeln irrte um seine Lippen. Er nahm schließlich die Mütze und verließ das Zimmer. Seine Gedanken waren verworren. Nachdenklich trat er in den Torweg.
    »Das ist der Herr selbst!« rief eine laute Stimme.
    Er hob den Kopf.
    Der Hausknecht stand vor der Tür seiner Kammer und zeigte ihn einem nicht sehr großen Mann, der wie ein Kleinbürger aussah, mit einer Art Schlafrock und einer Weste bekleidet war und von weitem einem Weibe ähnelte. Sein Kopf, auf dem eine schmierige Mütze saß, hing nach vorn, und seine ganze Haltung war gekrümmt. Sein schlaffes, runzliges Gesicht deutete auf über fünfzig Jahre; die kleinen verschwommenen Augen blickten finster, streng und unzufrieden.
    »Was ist los?« fragte Raskolnikow, auf den Hausknecht zugehend.
    Der Kleinbürger schielte nach ihm unter der gerunzelten Stirn und musterte ihn durchdringend und aufmerksam; dann wandte er sich langsam um und trat, ohne ein Wort gesagt zu haben, aus dem Torweg auf die Straße.
    »Was ist denn los?« rief Raskolnikow.
    »Der Mann da hat gefragt, ob hier ein Student wohne, und nannte Ihren Namen und bei wem Sie wohnen. Sie kamen gerade herunter, und ich zeigte auf Sie, da ging er aber weg. Ja, so was!«
    Auch der Hausknecht war etwas verblüfft, doch nicht zu sehr. Nachdem er noch ein Weilchen nachgedacht hatte, drehte er

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