Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
Seite und blickte mit großen Augen auf die weiße Wand des Hotelzimmers.
»Was ist los?« Laura gab Mark einen sanften Schubs. »Was hast du entdeckt, nun sag schon!«
Mark fuhr sich durch die Haare. »Gibt es einen vernünftigen Grund, warum dieser Alessandro in den letzten Tagen gleich zweimal mit Rudolf telefoniert hat?«
»Mit deinem Bruder?«
»Mit meinem Halbbruder, ja, mit Rudolf Krobat in München.«
»Caspita, Donnerwetter!« Mehr fiel Laura dazu spontan nicht ein. Sie nahm ihren Zettel und schrieb den Rufnummernspeicher ab.
»Vielleicht handelt der Principale mit Wein, und Rudolf ist sein Partner in München?«, spekulierte Mark. »Das wäre eine Erklärung.«
»Assurdo«, erwiderte Laura, »Blödsinn. Der Principale handelt nicht mit Wein, das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Und dieser Alessandro?«
»Der bricht anderen Leuten die Knochen, der ist nun wirklich kein Weinhändler.«
»Bestimmt gibt’s eine Erklärung. Das mit der Nummer im Speicher hat nichts zu besagen. Vielleicht hat Alessandro Rudolf geklaute Antiquitäten verkauft, das scheint ja so eine Art Nebenerwerbsquelle für Alessandro zu sein.«
»Stimmt. Immerhin hat er Adamo und Eva mitgenommen.«
»Also, so könnte es sein.«
»Wäre aber ein schier unglaublicher Zufall.«
Mark stand auf und lief im Zimmer hin und her.
Laura sah auf die Uhr. »O Gott, ich bin spät dran. Die Reisegruppe wartet sicher schon im Bus.« Sie rannte ins Bad.
»Vergiss deine Zahnbürste nicht«, rief Mark ihr hinterher.
Wenige Minuten später stand Laura vor Mark. »Ich muss weg. Was ist mit dir? Du hast ja noch nicht einmal eine Hose an?«
»Ich komm nach, fahrt schon los. Ich muss nachdenken. Die Polizei ruf ich jedenfalls noch nicht an, die kann warten.«
»Wie du meinst. Kann ich verstehen. Lass dir Zeit, aber bitte unternimm nichts Unüberlegtes. Pass auf, am besten fährst du nachher mit dem Linienbus nach Fusina, von dort geht mit der Nummer 16 regelmäßig eine Fähre nach Venedig zur Fermata Zattere. Die Abfahrtzeiten kannst du dir unten im Hotel geben lassen. Ich bin mit der Reisegruppe um dreizehn Uhr zum Mittagessen im Montin, das ist eine Trattoria mit schönem Garten im Stadtviertel Dorsoduro.«
»Und wie finde ich diese Trattoria?«
»Sie ist gleich hinter Zattere, wo dein Schiff anlegt. Dort musst du halt nach der Antica Locanda Montin fragen. Sie ist ziemlich bekannt.«
»Wird schon schief gehen, und grüß Bill von mir. Der will sicher wissen, was sich in Padua weiter getan hat. Ich werd’s ihm beim Mittagessen erzählen.«
»Ciao!«
»Take care. Bye-bye!«
36
A lberto sah in den Rückspiegel und beobachtete Alessandro, der hoch konzentriert an seinen Fingernägeln feilte.
»Machst du dich fein für die Damen in Abano?«
»Für die Damen bin ich immer fein genug, mein lieber Alberto«, antwortete Alessandro.
»Aber nicht fit genug«, sagte Alberto kichernd.
Alessandro drohte lachend mit der Faust. »Dein Glück ist, dass du am Steuer sitzt. Andernfalls würde ich dich für diese Frechheit auf der Stelle erwürgen. Mir tut meine Schulter weh, sonst funktioniert alles bestens.«
»Na ja, immerhin war auch Giacomo Casanova zum Kuren in Abano Terme. Aber er hat gleichzeitig eine Gräfin beglückt.«
»Kann ja noch werden«, erwiderte Alessandro und begutachtete zufrieden seine Fingernägel.
Es waren nur noch wenige Kilometer bis Abano Terme. Der Principale hatte Alessandro für eine Woche in Kur geschickt, damit er endlich seine Schulter auskurieren konnte. Alessandros körperliche Fitness stellte nach Ansicht des Principale eine Art Betriebskapital dar. Deshalb hatte er auch Wert darauf gelegt, dass Alessandro im Bristol Buja untergebracht wird, einem luxuriösen und zentral gelegenen Hotel mit allen erforderlichen Einrichtungen. Die Schlammbäder, für die Abano Terme berühmt ist, sollten Alessandro wieder auf Vordermann bringen. Nur in Notfällen, die einen sofortigen Einsatz Alessandros erforderlich machten, würde er die Kur unterbrechen müssen.
»Alberto, du kannst mir einen Gefallen tun. Schau mal bei meinem Schwager Franco in Padua vorbei. Mich würde interessieren, was aus den beiden Bronzefiguren geworden ist. Dieser Amerikaner hat sich ja leider nicht mehr gemeldet. Da hätte ich mir die Arbeit mit der zweiten Figur sparen können.«
»Ich verstehe sowieso nicht, warum du Franco immer mit diesem alten Zeug versorgst?«
»Er ist mein Schwager. Und seiner Familie muss man helfen. Das Geschäft mit
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