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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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aus Bewunderung und Schuldgefühlen gelähmt, die sie von Kindesbeinen an plagte. Schuldgefühle, weil sie so oft seine Erwartungen enttäuschte. Schuldgefühle, weil sie permanent gegen ihre ererbten sittlichen Mängel angehen musste. Schuldgefühle, weil sie das Kind einer Frau war, die so dumm gewesen war, diesen außergewöhnlichen Mann zum Gespött zu machen.
    Er ließ sie sich fühlen wie damals als Fünfjährige, als sie an Smythes Hand am Pier gestanden hatte, während Vater nach einem heroischen Abenteuer von Bord ging. Die Menge hatte gejubelt, und Lucy hätte am liebsten gerufen: »Das ist mein Papa!« Aber sie hatte sich nicht getraut.
    Sie holte tief Luft. »Vater, ich muss dir ganz dringend etwas -«
    Die Zeitung raschelte tadelnd. »Laut und deutlich, Mädchen. Du weißt, ich toleriere kein Gemurmel.«
    Sie nahm einen Schluck Tee und verfluchte Claremont dafür, dass er sie dazu gebracht hatte, so närrisch damit zu prahlen, dass sie ihn loswerden würde. »Vater, es ist unumgänglich, dass ich -«
    Die Worte blieben ihr im Hals stecken, als der Grund ihres Unbehagens hereinschlenderte und ihr freundlich zunickte. »Miss Snow.«
    »Mr. Claremont«, erwiderte sie kühl.
    Claremont ignorierte den Diener, der mit ausdrucksloser Miene neben dem Admiral stand, nahm sich seinen Teller selbst und blieb stirnrunzelnd an der Anrichte mit dem Marmoraufsatz stehen. Lucy spürte ihn förmlich die spartanische Kost mit den Köstlichkeiten bei den Howells vergleichen. Sie vergaß einen Moment lang ihren Vater, nagte an ihrem trockenen Toast und beschäftigte sich mit ein paar neuen Details. Claremonts Frack hatte abgestoßene Säume, und gegen die Kratzer auf seinen Stiefeln half auch die beste Politur nicht. Wie dringend brauchte er diese Stellung wohl?
    Claremont setzte sich und strich unter den missbilligenden Blicken des Dieners einen ganzen Berg Butter auf seinen Toast.
    Lucy runzelte die Stirn und hatte irgendwie ein schlechtes Gewissen. Mr. Claremont hatte einigen Appetit. Würde er hungrig fortgehen, wenn sie ihren Vater dazu zwang, ihn zu entlassen?
    »Nun, was ist, Mädchen?« Der Admiral ließ die Faust auf den Tisch krachen, dass das Tafelsilber klirrte. »Wenn es so verflucht ›unumgänglich‹ ist, dass du mich beim Frühstücken störst, dann spuck es aus!«
    Warum musste ihr Vater ausgerechnet jetzt aus seinem Zeitungskokon auftauchen? »Ich wollte … es ist nur so, … dass …«
    Claremont schaute sie mit freundlicher Miene an. Mit ihrer Überzeugung, dass Claremont sie am liebsten mit einer der Servietten geknebelt hätte, war Lucy sicherlich allein.
    »… ich etwas Geld für Farben brauche », platzte Lucy heraus.
    »Ich habe das letzte Kobalt verbraucht, und ohne Blau kann ich das Cornwall-Seestück nicht fertig machen.«
    Der Admiral lächelte mit solch gönnerhafter Zuneigung, dass Lucy sich am liebsten unters Tischtuch geduckt hätte, um der unausweichlichen Litanei zu entgehen. »Ah, mein Liebling, Lucinda. Man kann doch immer auf dich zählen, wenn es gilt, Trivialitäten zu dramatisieren.« Er verschwand mit einem Stück trockenen Toasts hinter der Times . »Das war eine der besonderen Begabungen deiner Mutter.«
    Lucy schob ihren Teller weg und riskierte einen Blick auf ihren Leibwächter, der sich jetzt bestimmt auf ihre Kosten amüsierte.
    Aber Claremont war verschwunden. An seiner Stelle saß ein gefährlich wirkender Fremder, der ihren Vater mit purer Mordlust im Blick beobachtete. Ein angstvoller Schauer durchzuckte sie, die Ahnung einer Katastrophe, die nicht etwa den Admiral betraf, sondern sie selbst. Bevor sie sich noch sagen konnte, dass sie nicht wie Mutter irgendwelchen Fantastereien nachhing, verschluckte Vater sich, und Claremonts leutseliger Gesichtsausdruck saß wie eine Maske wieder an seinem Platz.
    Entsetzt sah Lucy ihren Vater die Zeitung fallen lassen. Die gesunde Gesichtsfarbe wurde immer röter, schließlich blaurot. Einen irrationalen Augenblick lang glaubte sie, Claremont habe ihm das mit seinem mörderischen Blick angetan.
    Ihr Leibwächter sprang auf, hastete um den Tisch herum und stieß den panischen Diener aus dem Weg. Er verschränkte die Hände ineinander und versetzte dem Admiral einen scharfen Hieb zwischen die Schulterblätter. Der Admiral holte gepeinigt Luft, die Augen nass vor Erleichterung. Lucy riss sich aus ihrer Lethargie, eilte an ihres Vaters Seite und drückte ihm ein Glas Wasser in die Hand.
    Claremont hatte heftiger auf Vater

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