Verführung der Unschuld 2
Sofa gesetzt und dann …
Giulia schüttelte den Kopf. Nein, nein, sie musste aufwachen! Sie kniff die Augen zusammen und riss sie wieder auf, aber es war alles wie zuvor. Der Raum, der vor ihr lag, war so stockdunkel, dass sie nicht erkennen konnte, wie weit er sich ausdehnte. Mühsam unterdrückte sie das Bedürfnis um Hilfe zu schreien, es machte wohl wenig Sinn. Sie nahm das Kerzenglas und stand auf, um den Raum zu erkunden.
Die Liege stand in einer Ecke, die Wände aus unverputztem Gestein mit rauer, unregelmäßiger Oberfläche, als hätte man sie direkt aus einem Felsen geschlagen.
Mit ausgestrecktem Arm leuchtete Giulia in den Raum und erstarrte. Es gab kein Vorwärtskommen. In nicht einmal einem Meter Abstand vor ihr versperrte ihr ein Gitter den Weg, die Tür geschlossen. Obwohl sie ahnte, dass diese abgesperrt sein würde, rüttelte sie daran. Umsonst. Sie war eingesperrt.
Panik erfasste sie. Was hatte Federico vor?
Ein Blick auf die Armbanduhr. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass er ihr weder ihre Ringe, noch Kette oder Uhr abgenommen hatte. Sie war auch noch bekleidet, angerührt hatte er sie also nicht, das hätte sie bestimmt auch gefühlt. Mit ihr und ihrem Baby war alles okay. Nur ihre Handtasche fehlte. Klar. Wobei ihr Handy in diesem Verlies vielleicht gar nicht funktioniert hätte. Wenn sie nur wüsste, wo sie war. Hatte er sie aus dem Haus und an einen fremden Ort gebracht? Bestimmt.
Wieder sah Giulia auf die Uhr. Ihre Augen füllten sich langsam mit Tränen. Es war gerade sieben Uhr vorbei. Möglicherweise war Lorenzo noch nicht zuhause und hatte ihre Abwesenheit daher bislang nicht bemerkt. Oder war es bereits sieben Uhr morgens und ihr Liebster krank vor Sorge?
Und was war mit Mariella? Sie waren verabredet gewesen. Was würde ihre Freundin davon halten, dass sie nicht gekommen war? Und ihre Tochter. Würde sie sie jemals wiedersehen?
Mutlos setzte Giulia sich wieder hin, mit dem Rücken an die Wand gelehnt und versuchte eine einigermaßen bequeme Position einzunehmen, was ihr jedoch nicht gelang. Die Wand war kalt, ihre Beine hingen über die Pritsche, wodurch sich der Rand in ihre Waden drückte. Schließlich legte sie sich doch wieder hin und starrte an die Decke. Tränen liefen ihr aus den Augenwinkeln, über die Schläfen und in die Haare hinein. Langsam schwoll ihre Nase zu und sie schniefte.
Lorenzo, bitte Lorenzo, hilf mir.
Die Dunkelheit sorgte dafür, dass Giulia in einen unruhigen Schlaf fiel und aufschreckte, wenn sie meinte, ein Geräusch zu hören. Dabei verlor sie völlig das Zeitgefühl und sah jedesmal, wenn sie wach wurde, auf die Uhr. Mal waren nur ein paar Minuten vergangen, mal war es eine ganze Stunde. Ihr Herz wummerte laut vor Verzweiflung und ihre Tränen wollten nicht aufhören zu fließen.
Würde Lorenzo sie finden? Ihr Auto musste noch immer auf dem Parkplatz … außer … Panisch setzte sie sich auf. Niemand hatte sie gesehen oder gehört. Nur Federico war zuhause gewesen, als sie die Villa betrat. Geschichten von Frauen, die über Jahre oder Jahrzehnte als Sklavinnen gehalten wurden, fielen ihr ein. Entführungen, Missbrauch, Morde. Eine eiserne Faust umklammerte ihr Herz und nahm ihr die Kraft zum Atmen.
Ein kurzer Tritt in ihrem Bauch machte ihr bewusst, dass es längst nicht mehr um sie ging, sondern um ihr Kind.
Er will mein Baby! Sein Sohn soll der einzige männliche Nachfahre sein
.
Irgendwann würde Federico kommen und ihr etwas zu trinken und zu essen bringen. Und dann – Giulia holte tief Luft – musste es ihr irgendwie gelingen zu entkommen. Wenn er sie hätte umbringen wollen, dann hätte er das doch längst getan, oder? Sie war sich dabei nicht so sicher, gestattete sich aber auch nicht über die andere Variante nachzudenken. Für ihr Kind brauchte sie alle Kraft und Zuversicht, die sie irgendwie aufbringen konnte. Ihr Kind konnte nichts dafür, dass Federico sie hasste, obwohl sie nach wie vor nicht verstand wieso.
Bedrohungen
Es dauerte eine Weile, bis Mariella den Schock über die Ermordung Marcello Simonettis emotional verkraftet hatte. Viel wichtiger war jetzt, was mit Giulia los war. Mariella rief Lorenzo an, und war betroffen über seine verzweifelte Stimme. Ihre Schwägerin war nach wie vor verschollen. Ihr Auto hatte die Gendarmerie inzwischen auf dem Parkplatz eines Supermercato am Rande von Lucca entdeckt. Es wurde gerade auf fremde DNA untersucht, aber Lorenzo machte sich wenig Hoffnung, dass dabei brauchbare Hinweise
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