Vergangene Narben
war ein Geschrei gewesen. Jedenfalls hatte ich die Wartezeit die ich mir gesetzt hatte irgendwie rumgekriegt, und war dann gegen zehn ausgecheckt, und ohne Umwege hierher geeilt.
Nun stand ich vor dem Außenwall des Schlosses am Tor in einer Schlange, und wartete darauf eingelassen zu werden.
Hinter mir stand eine Frau, die lautstark schimpfte, dass es eine Frechheit sei einem bei dieser Kälte hier draußen so lange warten zu lassen. Davon ließ sich der Mann am Tor nicht weiter beeindrucken. Völlig ruhig ging er seiner Arbeit nach, fragte jeden nach seinem Anliegen, trug das dann ordentlich in eine Liste ein, und ließ die Leute ein.
Links und rechts des Durchlasses in dem Steinwall standen je zwei Männer, die mich an eine Mischung aus Soldat und Türsteher erinnerte. Völlig ruhig verharrten sie in ihrer schwarzen Armekleidung, und beobachteten jede Bewegung um sich herum.
Hinter mir war die breite Straße, die von Tenor hinauf zum Schloss führte. Eine Straße, die zu beiden Seiten mit hohen Bäumen gesäumt war, die hoch über mir ihre Äste miteinander verworren hatten, und damit einen Tunnel hinauf zum Hof der Werwölfe bildeten. Decken aus Schnee bedeckten jedes Fleckchen auf ihnen, und bildeten einen Dämpfer, der alles um mich herum angenehm ruhig erscheinen ließ. Selbst die Autos die hin und wieder hier ankamen, schienen heute mit halber Lautstärke zu funktionieren.
Die Schlange bewegte sich vorwärts. Noch zwei Leute vor mir, und ich wusste immer noch nicht was ich sagen sollte. Ich brauchte schließlich eine gute Erklärung, warum ich ins Schloss wollte, doch meine Gehirnzellen schienen alle auf Urlaub zu sein. Vielleicht waren sie aber auch in einen Winterschlaf gefallen. So genau wusste ich das nicht.
Der man vor mir war ein Vampir, etwa in dem gleichen Alter wie mein Vater – was bedeutete er sah aus wie Ende zwanzig, war aber bestimmt schon Anfang vierzig. Ja, Vampire, Werwölfe, und auch Therianthropen alterten anders als Menschen. Ihre Lebensspanne betrug fast das Doppelte. Unser Stoffwechsel arbeite halt anders als der der Menschen.
Der Typ am Tor winkte die Lady mit der er gerade gesprochen hatte durch, und dann war der Vampir an der Reihe.
Langsam wurde die Zeit knapp. Ich sollte mir wirklich schnell einen Grund einfallen lassen, warum ich hier stand. Ich konnte ja wohl schlecht sagen, dass ich meine Erzeugerin kennenlernen wollte. Die würden mich doch glatt für verrückt abstempeln, wenn die die Story meines Lebens erfahren würden.
Aber mir wollte irgendwie kein Grund einfallen. Bis ich hörte, was der Kerl vor mir sagte. Blitzidee. Ja, so könnte es gehen. War zwar ein wenig umständlich, aber egal. Es würde mir Zeit geben meine Erzeugerin zu finden.
Der Vampir wurde durchgesunken, und ich war an der Reihe.
Zwei gelangweilte Augen fielen auf meine Reisetasche, dann auf meinen Hund, und blieben schließlich an mir hängen. „Name bitte.“
„Za …äh …“ Ich stockte. Ob das so schlau war meinen richtigen Namen zu nennen? Ich war mir nicht ganz sicher. „Zora“, entschied ich schnell.
„Zaähzora?“
„Nein, Zora. Zora Canis. Meine Freunde nennen mich immer Zsa Zsa.“ Gott, am liebsten hätte ich mir selber gegen den Kopf geschlagen. Was für eine blöde Ausrede. Und da gab es doch wirklich Leute, die nannten mich intelligent. So viel Blödheit sollte eigentlich unter Strafe verboten werden.
Der Typ in der dicken Winterjacke musterte mich kurz, trug den Namen dann aber in seine Liste ein. „Der Grund für Ihren Besuch?“
„Ich will mich für den Job als Stallhelfer bewerben.“ Genau wie der Typ vor mir.
Er schrieb es auf sein Klemmbrett. „Gehen Sie durch den Vorgarten nach rechts in die Menagerie, und fragen sie dort nach Ronald Eusebius.“
„Danke.“ Ich schnappte mir Flair vom Boden, und schritt dann mit wildschlagendem Herzen an ihm vorbei. Die wachsamen Blicke dieser Soldatentürsteher entgingen mir dabei nicht, und einen schrecklichen Moment lang befürchtete ich, dass sie meine Lüge durchschaut hatten, doch niemand hielt mich auf. Unbeschadet kam ich in den Vorhof.
Und dann stand ich mit einer großen Reisetasche über der Schulter, und meinem Hund unterm Arm vor dem Zuhause meiner Erzeugerin, und bekam große Augen. Das sollte der Vorhof sein? Das war ja schon ein halber Park! Wie viele Gärtner die hier wohl einstellen mussten, um das alles zu pflegen? Die kreisrunde Auffahrt mit den blattlosen Sträuchern. Die ausladenden Bäume zu beiden Seiten der
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