Vergebung
ihre Lage. Da sie keine Zeit hatte, auf ihn zu warten, deponierte sie den Autoschlüssel im Auspuffrohr. Dann ging sie zum Mariatorget und nahm sich ein Taxi.
Lisbeth Salander ging auf die Website von Hacker Republic und stellte fest, dass Plague gerade eingeloggt war. Sie pingte ihn an.
Hallo, Wasp. Wie steht’s im Sahlgrenska?
Beruhigend. Ich brauch deine Hilfe.
Du liebe Güte.
Ich dachte nie, dass ich dich darum bitten würde.
Dann muss es ja echt ernst sein.
Göran Mårtensson, wohnhaft in Vällingby. Ich brauche Zugriff auf seinen Computer.
Okay.
Sämtliches Material soll an Mikael Blomkvist bei Millennium weitergeleitet werden .
Okay. Mach ich klar.
Der Große Bruder hört Blomkvists Telefon ab und liest wahrscheinlich auch seine Mails. Du musst das ganze Material an seine Hotmail-Adresse schicken.
Okay.
Wenn ich nicht erreichbar bin, wird Blomkvist deine Hilfe brauchen. Er muss sich mit dir in Verbindung setzen können.
Hmm.
Er ist ein bisschen schwierig, aber du kannst ihm vertrauen.
Plague antwortete ein paar Sekunden lang nicht.
Hat das mit deiner momentanen Situation zu tun?
Ja.
Kann es dir helfen?
Ja.
Dann mach ich’s auch kostenlos.
Danke. Aber ich bezahle meine Schulden grundsätzlich. Ich werde deine Hilfe bis zum Prozess brauchen. Ich bezahl dir 30 000.
Kannst du dir das leisten?
Ich kann’s mir leisten.
Okay.
Ich glaube, wir werden auch Trinity brauchen. Glaubst du, man könnte ihn nach Schweden locken?
Um was zu tun?
Das, was er am besten kann. Ich bezahle ihm sein Standardhonorar plus Unkosten.
Okay. Um wen geht es?
Sie erklärte ihm, was er für sie erledigen sollte.
Dr. Anders Jonasson wirkte aufrichtig bekümmert, als er am Freitagmorgen höflich einen sehr irritierten Kriminalinspektor Hans Faste betrachtete, der vor seinem Schreibtisch saß.
»Tut mir leid«, sagte Jonasson.
»Das versteh ich nicht. Ich dachte, Salander ist wieder gesund. Ich bin extra nach Göteborg gekommen, um sie zu verhören und um alles vorzubereiten, damit sie in eine Zelle nach Stockholm überführt werden kann.«
»Bedaure«, wiederholte Dr. Jonasson. »Ich würde sie ja auch liebend gern loswerden, denn wir haben hier einen ständigen Bettenmangel. Aber …«
»Kann es sein, dass sie simuliert?«
Dr. Jonasson lachte.
»Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Sie müssen Folgendes begreifen: Lisbeth Salander ist in den Kopf geschossen worden. Ich habe ihr eine Kugel aus dem Gehirn entfernt, und es war sehr fraglich, ob sie überhaupt überleben würde. Sie hat überlebt, und ihre Prognose war recht zufriedenstellend … jedenfalls so gut, dass meine Kollegen und ich sie schon entlassen wollten. Gestern hat sich ihr Zustand dann wieder deutlich verschlechtert. Sie klagte über starke Kopfschmerzen, und ihre Fieberkurve schwankte plötzlich sehr stark. Gestern Abend hatte sie 38 Grad und hat sich zweimal übergeben. Im Laufe der Nacht ist das Fieber zurückgegangen, doch heute Morgen hatte sie schon wieder 39 Grad, was sehr ernst zu nehmen ist.«
»Was hat sie denn nun?«
»Ich weiß es nicht, aber die starken Temperaturschwankungen deuten darauf hin, dass es keine Grippe oder etwas Ähnliches sein kann. Vielleicht hat sie allergisch auf ein Medikament oder auf irgendetwas anderes reagiert, womit sie in Berührung gekommen ist.«
Er suchte in seinem Computer ein Bild heraus und drehte den Bildschirm so, dass Hans Faste ihn sehen konnte.
»Ich habe eine Röntgenaufnahme von ihrem Schädel gemacht. Wie Sie hier erkennen können, befindet sich unmittelbar neben der alten Schusswunde ein dunkleres Areal. Ich kann nicht sagen, was das ist. Es könnte mit der Narbenbildung zusammenhängen, es könnte aber auch eine kleinere Blutung sein. Solange wir keine Klarheit über den Befund haben, kann ich Frau Salander keinesfalls entlassen.«
Faste nickte resigniert. Er wusste, dass es zwecklos war, mit einem Arzt zu diskutieren, denn so jemand hatte die Macht über Leben und Tod und war sozusagen Gottes Stellvertreter auf Erden.
»Und was jetzt?«
»Ich habe strenge Bettruhe angeordnet und ihre Physiotherapie vorerst ausgesetzt - sie braucht nämlich Krankengymnastik wegen der Schussverletzungen in Schulter und Hüfte.«
»Verstehe … ich muss Staatsanwalt Ekström in Stockholm davon unterrichten. Das ist jetzt freilich eine Überraschung. Was soll ich ihm denn sagen?«
»Vor zwei Tagen war ich bereit, einer Verlegung gegen Ende der Woche zuzustimmen. Wie die Dinge jetzt
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