Vergebung
etwas möglich?
Edklinth versuchte sich vorzustellen, wie er selbst gehandelt hätte, wäre er 1976 für die RPF/Sich verantwortlich gewesen. Absolute Geheimhaltung. Das wäre nötig gewesen. Der Überläufer durfte nur einem kleinen exklusiven Kreis bekannt sein, wenn man nicht riskieren wollte, dass die Information zu den Russen durchsickerte und … Wie klein hätte dieser Kreis sein müssen?
Eine operative Abteilung?
Eine geheime operative Abteilung?
Im Grunde hätte die Angelegenheit Zalatschenko von der Gegenspionage gehandhabt werden müssen. Oder gleich vom militärischen Nachrichtendienst, aber der hatte weder die Ressourcen noch die Kompetenz für diese Art von operativer Tätigkeit. Also die SiPo.
Doch die Gegenspionage hatte nie mit ihm zu tun gehabt. Björck war der Schlüssel. Ganz offensichtlich war er einer von denen gewesen, die sich um Zalatschenko gekümmert hatten. Aber Björck hatte nie etwas mit der Gegenspionage zu schaffen gehabt. Björck war ein Mysterium. Offiziell hatte er ab den 70er-Jahren einen Posten in der Auslandsabteilung innegehabt, aber in Wirklichkeit war er in dieser Abteilung so gut wie nie in den Vordergrund getreten, bis er in den 90er-Jahren plötzlich stellvertretender Chef wurde.
Und dennoch war Björck die wichtigste Quelle von Blomkvists Informationen. Wie hatte Blomkvist ihn dazu bringen können, ihm solches Dynamit in die Hände zu legen? In die Hände eines Journalisten.
Die Nutten. Björck ging zu minderjährigen Nutten, und Millennium hatte vor, ihn dafür anzuprangern. Blomkvist musste Björck erpresst haben.
Dann betrat Lisbeth Salander die Bühne.
Der verstorbene Rechtsanwalt Nils Bjurman hatte gemeinsam mit dem verstorbenen Björck in der Auslandsabteilung gearbeitet. Diese beiden kümmerten sich also um Zalatschenko. Aber was fingen sie mit ihm an?
Irgendjemand musste die Entscheidungen getroffen haben. Bei einem Überläufer dieser Größenordnung mussten die Befehle von allerhöchster Stelle gekommen sein.
Von der Regierung. Sie mussten Rückendeckung von der Regierung gehabt haben. Alles andere war undenkbar.
Oder?
Edklinth merkte, wie ihm kalte Schauer über den Rücken liefen. Ein Überläufer wie Zalatschenko musste mit größtmöglicher Diskretion behandelt werden. Das musste die Regierung Fälldin beschlossen haben. Das war auch logisch.
Aber was dann 1991 geschah, das war nicht mehr logisch. Björck hatte Teleborian angeheuert, um Lisbeth Salander in ein Krankenhaus für psychisch gestörte Kinder einzuweisen, unter dem Vorwand, sie sei geisteskrank. Das war ein Verbrechen. Das war ein derart schweres Verbrechen, dass Edklinth schon wieder Schauer über den Rücken liefen.
Irgendjemand musste diese Entscheidungen getroffen haben. In diesem Fall konnte das nicht einfach die Regierung gewesen sein … Ingvar Carlsson war damals Ministerpräsident gewesen, nach ihm Carl Bildt. Aber kein Politiker hätte sich die Finger an so einer Entscheidung verbrennen wollen, die gegen jedes Recht und Gesetz verstieß und zu einem katastrophalen Skandal führen konnte.
Sollte die Regierung tatsächlich in so etwas verwickelt sein, dann war Schweden keinen Deut besser als jede beliebige andere Diktatur auf dieser Welt.
Das war nicht möglich.
Und dann kam es am 12. April zu den Geschehnissen im Sahlgrenska-Krankenhaus. Zalatschenko wurde im selben Augenblick erschossen, als man bei Blomkvist einbrach und Annika Giannini überfiel. In beiden Fällen wurde Gunnar Björcks denkwürdiger Bericht von 1991 entwendet. Das war die Information, die Armanskij ihm zugespielt hatte. Es war keine Anzeige bei der Polizei erstattet worden.
Dann hatte sich ausgerechnet Björck das Leben genommen. Der Mann, mit dem sich Edklinth mehr als mit jedem anderen gern mal ernsthaft unterhalten hätte.
Edklinth glaubte nicht an einen Zufall von so gigantischen Ausmaßen. Kriminalinspektor Bublanski auch nicht. Blomkvist schon gar nicht. Edklinth griff noch einmal zu seinem Filzstift.
Evert Gullberg, 78 Jahre. Anwalt für Steuerrecht.?
Wer zum Henker war Evert Gullberg?
Er erwog, den Chef der RPF/Sich anzurufen, hielt sich aber aus dem einfachen Grund zurück, weil er nicht wusste, wie weit nach oben die Verschwörung in der Organisation der SiPo reichte. Kurz und gut, er wusste überhaupt nicht mehr, wem er noch vertrauen konnte.
Nachdem er die Möglichkeit verworfen hatte, sich an jemanden innerhalb der RPF/Sich zu wenden, überlegte er eine Weile, ob er sich
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