Vergebung
betrachtet.
Sie wusste es. Er hatte sie nie angefasst, aber sie hatte es immer gewusst.
Sie verfluchte sich selbst. Sie hätte sich schon vor ein paar Jahren um Teleborian kümmern müssen. Aber sie hatte ihn verdrängt und seine Existenz ignoriert.
Sie hatte ihn gewähren lassen.
Nach einer Weile pingte sie Mikael Blomkvist bei ICQ an.
Mikael Blomkvist verbrachte die Nacht in Lisbeth Salanders Wohnung in der Fiskargatan. Erst morgens um halb sieben schaltete er den Computer aus. Als er einschlief, hatte er die pornografischen Kinderfotos immer noch auf der Netzhaut. Er wachte um Viertel nach neun auf, duschte und bestellte sich ein Taxi, das ihn vor dem Södra teatern abholte. Um fünf vor elf war er auf der Birger Jarlsgatan und ging zum Café »Madeleine«.
Sonja Modig saß schon vor einer Tasse schwarzem Kaffee und wartete auf ihn.
»Hallo«, sagte Mikael.
»Ich gehe hier ein großes Risiko ein«, sagte sie ohne eine Begrüßung. »Ich werde gefeuert und handele mir sogar eine Anzeige ein, wenn je herauskommt, dass ich mich mit Ihnen getroffen habe.«
»Von mir wird es niemand erfahren.«
Sie wirkte gestresst.
»Einer meiner Kollegen hat vor Kurzem den ehemaligen Ministerpräsidenten Thorbjörn Fälldin besucht. Er ist rein privat hingefahren, und sein Job steht ebenfalls auf dem Spiel.«
»Verstehe.«
»Ich verlange, dass unsere Anonymität unter allen Umständen gewahrt bleibt.«
»Ich weiß ja nicht mal, von welchem Kollegen Sie sprechen.«
»Das werden Sie gleich erfahren. Ich will Ihr Versprechen, dass Sie ihn schützen wie eine anonyme Quelle.«
»Sie haben mein Wort.«
Sie warf einen Blick auf die Uhr.
»Haben Sie es eilig?«
»Ja. Ich treffe meinen Mann und die Kinder in zehn Minuten. Mein Mann glaubt, dass ich noch in der Arbeit bin.«
»Und Bublanski weiß auch nichts von unserem Treffen?«
»Nein.«
»Okay. Ihr Kollege und Sie genießen völlige Anonymität. Für alle Zeit.«
»Mein Kollege ist Jerker Holmberg, den Sie in Göteborg kennengelernt haben. Sein Vater ist in der Zentrumspartei, Jerker kennt Fälldin seit Kindertagen. Er hat ihm einen privaten Besuch abgestattet und ihn nach Zalatschenko gefragt.«
»Verstehe.«
Plötzlich bekam Mikael heftiges Herzklopfen.
»Fälldin schein absolut integer zu sein. Holmberg hat ihm von Zalatschenko erzählt und ihn gefragt, was er von dem Überläufer wusste. Erst sagte Fälldin gar nichts. Dann erzählte Holmberg von unserem Verdacht, dass Lisbeth Salander von den Leuten, die Zalatschenko schützten, in die Psychiatrie gesperrt wurde. Das hat Fälldin sehr aufgeregt.«
»Verstehe.«
»Fälldin erzählte, dass der damalige Chef der SiPo und ein Kollege zu ihm kamen, kurz nachdem er Ministerpräsident geworden war. Sie erzählten ihm eine fantastisch klingende Geschichte von einem russischen Überläufer, der nach Schweden gekommen war. Man gab Fälldin zu verstehen, dass dies ein heikles militärisches Geheimnis sei, das mit äußerster Diskretion gehandhabt werden müsse.«
»Okay.«
»Fälldin sagte, er habe nicht gewusst, was er in dieser Angelegenheit tun sollte. Er war frisch im Amt und hatte keinerlei Regierungserfahrung. Schließlich sah er sich gezwungen, das zu tun, was ihm die Herren von der SiPo vorschlugen. Er fertigte eine Anweisung aus, die der SiPo die alleinige Verantwortung für Zalatschenko übertrug. Er verpflichtete sich, niemals mit irgendjemandem über diese Angelegenheit zu reden. Fälldin erfuhr ja nicht einmal den Namen des Überläufers.«
»Hmm.«
»Danach hörte Fälldin im Großen und Ganzen nichts mehr von der Sache. Er machte jedoch etwas außerordentlich Gescheites. Er bestand darauf, dass ein Staatssekretär in das Geheimnis eingeweiht wurde, der als Mittelsmann dienen sollte zwischen der Regierungskanzlei und den Leuten, die Zalatschenko schützten.«
»Ach ja?«
»Dieser Staatssekretär heißt Bertil K. Janeryd, ist 63 Jahre alt und schwedischer Botschafter in Amsterdam.«
»Verdammt.«
»Als Fälldin begriff, wie ernst diese Voruntersuchung ist, setzte er sich hin und schrieb einen Brief an Janeryd.«
Sonja Modig schob Mikael über den Tisch ein Kuvert zu. Darin befand sich ein Brief mit folgendem Inhalt:
Lieber Bertil,
Dein Geheimnis, das wir beide während meiner Regierungszeit bewahrt haben, wird derzeit sehr ernst hinterfragt. Die Person, die von der Angelegenheit betroffen war, ist mittlerweile verstorben und kann keinen Schaden mehr nehmen. Aber andere Menschen könnten
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