Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
sprechen.«
Dave nickt und steht auf. Er folgt Cody in den Besprechungsraum, wo Donovan sagt: »Ich dachte, das hier könnte dich vielleicht interessieren.«
Michel sagt: »KH-2 rutscht in vierzehn Minuten über den Horizont. Dadurch entsteht eine elfminütige Überwachungslücke.«
Der KH-2-Satellit ist ein vierzehn Tonnen schwerer, lastergroßer Brocken Hightech-Hardware im All. Auf Befehl kann er bis auf hundertsechzig Kilometer Abstand zur Erde abgesenkt und auf ein bestimmtes Zielgebiet ausgerichtet werden.
Die Kamera mit einer Brennweite von sieben Metern überträgt die eingefangenen Bilder auf Computer in Washington.
Und Costa Rica.
Donovan hat sich nämlich reingehackt.
»Wir sind drin«, sagt Michel.
Der Bildschirm flackert, das grün phosphoreszierende Licht glüht im abgedunkelten Raum.
Echozeichen blinken grellgrün, ein Infrarotbild aus dem All.
»Schon vor vierzig Jahren«, sagt Donovan, »konnten wir mit der Lockheed U-2 das Nummernschild eines russischen Autos aus 10 000 Metern Entfernung lesen. Jetzt sind wir vierzig Jahre weiter.«
Atmosphärische Störungen flackern über den Monitor, dann wird das Bild größer.
Die Linse fokussiert ein anscheinend sehr altes Dorf zwischen Palmen und Sand.
»Die Insel Lamu«, sagt Donovan. »Zwanzig Kilometer vor der kenianischen Küste im indischen Ozean. Seit dem sechsten Jahrhundert islamisch und seit zwanzig Jahren Brutstätte der Dschihadisten. Wir dachten, wir sehen uns dort mal um.«
Die Kamera fährt näher ran.
Dave sieht ein großes altes Haus, dann einen von einer Korallensteinmauer begrenzten Innenhof.
Die Kamera fährt noch näher ran.
Ein Mann liegt ausgestreckt auf einem Liegestuhl, eine Kalaschnikow lehnt daneben. Er trinkt aus einem Glas dem Anschein nach Saft.
Dave sieht eine Nahaufnahme seines Gesichts.
Saif.
Die Kamera zieht sich wieder zurück, als Amriki aus dem Haus kommt und sich neben Saif setzt.
»Die Insel Lamu«, Miriams Gesicht erscheint wieder in der oberen rechten Ecke der Videowand, »gehört zu einer Inselgruppe im indischen Ozean vor der kenianischen Küste.«
Das gesamte Team hat sich im Besprechungsraum versammelt.
Karten und Fotos tauchen an der Wand auf, dann verwandelt sich die Karte in eine »digitale Sandtafel« in 3-D, die jede Erhebung auf der Insel sichtbar macht.
»Lamu ist klein«, fährt Miriam fort, »zwanzig Kilometer lang und selbst an der breitesten Stelle nur drei Kilometer breit. Die Hauptstadt Lamu – hier – liegt im Zentrum, aberdie Zielpersonen halten sich in dem Dorf Shela auf, drei Kilometer südlich. In Shela gibt es ein kleines Urlaubshotel – am Strand – und auf dieser Anhöhe hier ein kleines Dorf mit einer Moschee.«
Dave betrachtet das Foto der schmalen Straßen, die gerade breit genug für einen Eselkarren sind. Abgesehen von zwei Polizeifahrzeugen sind auf der Insel keine Autos erlaubt. Die Menschen bewegen sich per Esel, zu Fuß oder mit dhows – kleinen Segelbooten.
»Die Zielpersonen wurden von Scheich Ali aufgenommen«, sagt Miriam, als das Foto eines weiß verputzten, zweistöckigen, klassischen Swahilihauses mit breitem Balkon und offenem Innenhof auf dem Bildschirm erscheint. »Lasst euch von seinem Titel nicht in die Irre führen – sein Scheichtum steckt tief in der Krise, er ist auf Zuschüsse der Dschihadisten angewiesen. Unsere Zielpersonen sind zwar seine Gäste, aber sie zahlen.«
Dave betrachtet ein Foto von Scheich Ali, der dem Aussehen nach Anfang dreißig sein muss. Er ist sehr dünn.
»Der Scheich«, erklärt Miriam, »ist khatsüchtig. Khat ist auch bekannt als Abessinischer Tee oder miraa , wird an der Ostküste Afrikas von fast allen Männern gekaut. Kath enthält das Stimulans Cathinon, das ähnlich wirkt wie Kokablätter. Wahrscheinlich kennt ihr’s von euren Einsätzen am Golf.«
Cody grinst.
»Der Scheich und sein Hauspersonal sind den Großteil des Tages über breit«, sagt Donovan, »was bedeutet, dass wir sie zu jeder beliebigen Tages- oder Nachtzeit entweder halb bewusstlos oder hellwach vorfinden, möglicherweise auch in den frühen Morgenstunden, wenn wir zugreifen. Außerdem verhindert das Khat, dass man die Wirkung eines Schlags, eines Messerstichs oder einer Schusswunde spürt. Die Typensind wie die Zombies in den Filmen, mit denen uns Cody auf den Geist geht – schwer kleinzukriegen.«
Cody grinst erneut.
»Sind unsere Zielpersonen auch auf dem Zeug?«, fragt Simon.
»Betrachten wir den Scheich und sein Personal als
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