Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
dir ein Beispiel daran nehmen.«
»Du bist älter als ich und kommst auch mit.«
»Bis zum Helikopter«, sagt Donovan. »Ich weiß, wo meine Grenzen liegen. Auch daran …«
»… könnte ich mir ein Beispiel nehmen.«
»Ich sag’s ja nur.«
Donovan steht auf und packt Papiere in eine Aktentasche. »Willst du hier sitzen und jammern oder lieber packen gehen?«
»Packen? Wo fahren wir hin?«
»Falls es dir noch nicht aufgefallen ist«, sagt Donovan, »hier gibt’s keinen Ozean. Und das ist ein schwerwiegendes Manko bei der Vorbereitung eines Angriffs vom Wasser aus. Wir verlassen das Camp morgen früh, fahren an den Golf von Kalifornien, auch bekannt als Mar de Cortés, wohlgemerkt kein Ozean, sondern ein Nebenmeer.«
»Warum nicht an die Küste von Costa Rica?«
»Touristen«, sagt Donovan. »Surfer, Regenwaldschützer. Ich will nicht, dass Aufnahmen von unserem Training auf YouTube die Runde machen. Meine Leute sind keine niedlichen kleinen Kätzchen. Geh packen.«
Als Dave gegangen ist, ruft Donovan Michel in sein Büro.
»Du übernimmst das Kommando während des Trainings«, sagt Donovan.
»Danke.«
»Und wegen Collins …«
»Ich tu mein Bestes.«
»Du hörst mir nicht zu«, sagt Donovan. Er fixiert Michel gute drei Sekunden lang mit durchdringendem Blick.
Jetzt versteht Michel die Botschaft …
Mach ihn fertig.
✦
Die Karawane, fünf Jeeps mit Delta Operatives, gefolgt von einem Laster costa-ricanischer Polizisten, schlängelt sich durch den Dschungel den Berg hinauf.
Wendelin sitzt vorne im ersten Wagen. Der Polizeichef wollte ihn dort eigentlich nicht haben, aus Angst, der erste Wagen könnte auf eine Mine treffen, aber Wendelin versicherte ihm, die gesuchten Männer seien keine von denen, die Sprengsätze vergraben.
Jetzt hält der Jeep.
»Von hier aus gehen wir zu Fuß weiter«, sagt der Polizeichef.
Wendelin steigt aus und folgt ihm über den Pfad. Andere schwärmen in den Dschungel aus, umstellen Donovans Basislager. Wendelin tastet nach dem Griff seiner Pistole im Hüftholster.
Ist lange her, denkt er, seit ich an der Front stand.
Nicht dass er eine Schießerei erwartet.
Donovan mag vieles sein, aber ein Landesverräter ist er nicht. Er wird nicht auf seine eigenen Leute schießen.
Collins ebenso wenig.
Was mich aber nicht davon abhalten wird, beide einzukassieren, in die US-amerikanische Botschaft nach San José zu verschleppen, in einen Flieger zu setzen und zu Hause in den Knast zu stecken.
Die Maschine steht schon bereit.
Schade, aber niemand kann behaupten, wir hätten sie nicht gewarnt.
Die Delta-Ops bewegen sich circa drei Viertel des Wegs die Anhöhe hinauf, und gehen in Deckung, warten auf ihr Signal. Der Plan sieht vor, das Camp zu umzingeln, anzustrahlen und Donovans Leute zur Kapitulation aufzufordern.
»Was, wenn sie sich weigern?«, fragt Palmer.
Wendelin will lieber nicht darüber nachdenken, dass er gezwungen sein könnte, auf Männer zu feuern, die für ihr Land gekämpft haben, die im Krieg gegen den Terror an allererster Front standen und teilweise einen entsetzlichen Preis dafür zahlen mussten.
Er will nicht darüber nachdenken, dass er gezwungen sein könnte, auf Dave Collins zu schießen, einen mehrfach ausgezeichneten Helden, der nichts als Gerechtigkeit fordert für den Mord an seiner Familie und tausend anderen Unschuldigen. Und der den Job selbst in die Hand nimmt …
Mach schon, sagt er sich, führ den Gedanken zu Ende.
Collins erledigt den Job, der eigentlich deiner wäre.
Über Funk hört Wendelin den Befehl des Delta-Commanders und kriecht vorwärts, bis an den Rand des Waldstücks, von wo aus er die Lichtung überblickt.
Wohncontainer, ein Übungsgelände.
»Zugriff«, befiehlt Wendelin.
Unglaublich grelles Scheinwerferlicht taucht das Gelände in kaltes Weiß.
Wendelin spricht in ein Megaphon. »Donovan! Collins! Hier spricht Dana Wendelin! Wir haben Sie umzingelt! Die Männer sind von der Delta Force! Wir wollen nicht schießen! Kommen Sie heraus!«
Nichts.
Kein Mucks, nichts rührt sich.
Wendelin sieht praktisch vor sich, wie sich die Männer geräuschlos von ihren Pritschen fallen lassen, nach den Waffen greifen und in Gefechtsstellung gehen.
Bitte, denkt er, tut das nicht.
»Kommt raus!«, brüllt er.
Nichts.
»Feuer frei?«, hört er Palmer fragen.
»Negativ. Wiederhole, negativ.«
Dann tritt ein Mann aus einem der Zelte, die Hände hoch erhoben.
Wie ein Gespenst steht er im grellweißen Licht.
Collins ist es
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