Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Ausbildung bei der Marine war brutal – vom Dauerregen in der Bretagne völlig durchweicht durften die Rekruten zwei Stunden schlafen, dann wurden sie von Granatfeuer geweckt. Jeder noch so kleine Fehler konnte ihre Entlassung zur Folge haben.
Aber Michel machte keinen Fehler.
Er schnitt beim Tauchen mit Kreislaufatemgerät außergewöhnlich gut ab, ebenso bei Unterwasser-Sprengungen, Angriffen vom Wasser aus und Einsätzen mit kleineren Booten. Dann ging es weiter mit Sprengungen und Hindernisbeseitigung und schließlich »nassen Sprüngen« – Fallschirmsprüngen aufs Wasser.
Honneur, Patrie, Valeur, Discipline.
Ehre, Vaterland, Tapferkeit, Disziplin.
Das Motto der französischen Marine. Werte, die Michel sehr ernst nimmt.
Die somalischen Piraten – zumindest die, die überlebt haben – könnten ein Lied davon singen.
Frankreich nimmt Piraterie ein bisschen ernster als die anderen westlichen Geschädigten – die Franzosen verhandeln nicht und spielen keine Spielchen.
Sie schicken Männer wie Michel.
Einmal brachten Piraten eine Jacht in ihre Gewalt, entführten ein französisches Ehepaar und steuerten somalisches Festland an, um Lösegeld zu fordern.
Dazu kam es aber nicht, weil Helikopter, bemannt mit Soldaten des Commando Hubert , von einer französischen Fregatte aus starteten und bis auf sechs Kilometer an die entführte Jacht heranflogen. Michel und seine Kameraden sprangen mit Fallschirmen in den Ozean. Ihre Waffen waren wasserdicht verstaut, sie verwendeten Nachtsichtgeräte und umluftunabhängige Tauchgeräte, so dass keine verräterischen Luftblasen aufstiegen. Sie schwammen zur Jacht.
Mit Enterhaken gingen sie an Bord.
Michel erinnert sich, dass er einem sehr verdutzten Piraten gegenüberstand, als er an Deck stieg.
Michel riss sein SIG 550 hoch und schoss ihm in den Kopf. Dem Team gelang es, die übrigen sieben Piraten gefangen zu nehmen und die Geiseln zu befreien.
Bei einer Cocktailparty in Paris bekam Michel später von einer Frau die Frage gestellt, ob er ein schlechtes Gewissen habe, weil er einen anderen Afrikaner getötet hatte.
»Das war kein Afrikaner, das war ein Pirat«, erwiderte Michel. »Und ich bin Franzose.«
Aber nicht Franzose genug, um die Budgetkürzungen im Rahmen des neuen Sparprogramms zu überstehen. Michel wurde in das Büro des Kommandanten bestellt und bekam behutsam mitgeteilt, dass er als »Kolonialer« keine Zukunft beim Militär habe und er sich nach »etwas anderem« umsehen möge.
Es brach ihm das Herz.
Er hatte seine Orden und seine Abfindung, konnte sich finanziell also eine Weile über Wasser halten, aber das war’s auch schon. Für das Leben als Zivilist war er nicht ausgebildet, und es lag ihm nicht. Als Colonel Donovan ihn eines Tages in einem Café draußen vor seiner Wohnung in Montparnasse ansprach, erklärte er sich zu einem Gespräch bereit.
»Ich suche die Besten der Besten«, sagte Donovan bei einem Glas Wein. »Dein ehemaliger Kommandant hat mir verraten, dass du ein verdammt guter Admiral geworden wärst, hättest du eine andere Hautfarbe.«
»Wie nett von ihm«, erwiderte Michel.
»Zum Admiral kann ich dich nicht machen«, sagte Donovan, »aber bei mir kannst du deinen Lebensunterhalt verdienen, und ich hätte dich gerne in meinem Team.«
Jetzt weckt Michel Collins, um ihn erneut auf einen Nachtlauf zu schicken.
Er bewundert die Einstellung des Amerikaners – ein Terrorist ist ein Terrorist ist ein Terrorist, und der einzig richtige Umgang mit einem solchen besteht darin, ihn zu töten. In diesem Punkt, sind sie sich einig.
Er hat großes Verständnis für Collins.
Aber für Colonel Donovan würde er durchs Feuer gehen.
Dave liegt auf seiner Pritsche, ist zu müde zum Schlafen.
Sein ganzer Körper schmerzt.
Aber ich werde nicht aufgeben, denkt er.
Bevor ich aufgebe, müssen sie mich töten.
✦
Ulrich hält Dave ein Messer an die Kehle.
»Gib auf, Anfänger.«
Dave spürt die kalte Klinge an seiner Halsschlagader. Eine Sekunde zuvor hatte Ulrich ihn zu Boden geschleudert, ihm die Luft aus den Lungen getrieben. Dann hatte sich der Deutsche rittlings auf seine Brust gesetzt und das Messer gezogen.
Nahkampftraining.
Die Männer bilden Paare, die anderen stehen jeweils im Kreis um die Kämpfenden herum, wie eine Art menschlicher Käfig. Sie alle sind Experten in den jeweiligen Spezialdisziplinen ihrer ehemaligen Einheiten, ausgebildet in allen möglichen Varianten von Judo, Krav Maga, Karate, Muay-Thai, Keysi und allem
Weitere Kostenlose Bücher