Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
haben.«
»Wenn er rausfliegt«, sagt Ulrich, »dann nach den Regeln. Fair.«
»Wir ziehen in einen Krieg«, sagt Donovan. »Wenn du ›fair‹ kämpfen willst, musst du dir eine andere Einheit suchen.«
Donovan geht.
Afghanistan hat einen schlechten Nachgeschmack bei Ulrich hinterlassen.
Die deutschen Streitkräfte waren für neun Provinzen verantwortlich und sollten dort brutale Terroristenanführer ausfindig machen, durften sie aber nicht töten.
»Verhältnismäßigkeit« nannten das die Idioten in der Regierung. »Der Einsatz tödlicher Waffen ist verboten, es sei denn, er erfolgt in unmittelbarer Notwehr.«
Hirnrissig.
Die einheimischen Taliban und die al-Qaida kannten die Grundsätze der Deutschen und hüteten sich davor, sie direkt anzugreifen. Stattdessen mussten sich Ulrich und seine Männer mit Sprengfallen, improvisierten Sprengsätzen und kurzen überfallartigen Angriffen herumschlagen, ohne den Feind identifizieren zu können (zumindest nicht so, dass die deutsche Regierung zufrieden gewesen wäre).
Was ist ein Soldat, denkt Ulrich jetzt, wenn nicht die Verkörperung tödlicher Gewalt?
Stattdessen mussten sie riskieren, selbst getötet oder verstümmelt zu werden, während sie mit den Taliban Fangen spielten.
Angewidert brachte Ulrich seine sechsjährige Pflichtzeit hinter sich und verabschiedete sich widerwillig vom KSK.
Wenn er seinen Job nicht machen durfte, hatte es keinen Sinn, ihn zu behalten.
Als Donovan Kontakt zu ihm aufnahm, lautete Ulrichs erste Frage: »Nach welchen Richtlinien wird gehandelt?«
»Töte den Feind«, erwiderte Donovan.
Ulrich unterschrieb.
Jetzt hat er zum ersten Mal Zweifel.
Rolf, der älteste in Donovans Team, gehörte den Selous Scouts an, einer nicht mehr existierenden Militäreinheit eines nicht mehr existierenden Regimes.
Die Selous Scouts waren eine Elite-Einheit. Selbst in einem Land wie Rhodesien, wo jeder mit einer Waffe in der Hand aufwuchs und von klein auf lernte, im Busch zu überleben, bestand nur circa jeder zehnte das Auswahlverfahren.
Wer es geschafft hatte, wurde im Busch ausgesetzt – ohne Lebensmittel, ohne Feldration, und musste fünfundzwanzig Kilometer ins »Basislager« zurücklaufen, das aus ein paar Strohhütten und einem Feuer bestand und gerade groß genug war, um die Löwen abzuschrecken.
In den ersten fünf Tagen gab es überhaupt keine Lebensmittelrationen, danach bekamen sie verdorbenes Fleisch. Trainiert wurde Tag und Nacht. Von den ursprünglich sechzig Rekruten in Rolfs Einheit stiegen zweiundvierzig innerhalb der ersten achtundvierzig Stunden aus.
Der Höhepunkt des ersten siebzehntägigen Trainings war ein hundert Kilometer langer Marsch durch den Busch mit dreißig Kilo Gepäck auf dem Rücken, Rucksäcke voller Steine. Die Ausbilder hatten sie rot markiert, damit niemand heimlich die Steine abladen und am Ende des Marschs durch andere ersetzen konnte.
War das überstanden, bekam man eine Woche frei, durfte Bier trinken und vögeln, dann ging’s zurück zum Stützpunkt,wo das richtige Training begann. Man wurde in ein Camp gesteckt, das einer Guerilla-Basis glich. Man duschte nicht mehr, rasierte sich nicht mehr, putzte sich nicht mehr die Zähne. Gegessen wurde nur noch afrikanisches Essen, damit die eigene Scheiße wie die der Afrikaner stank.
Gegen Ende des Trainings ging’s zum Jagen in den Busch.
Guerillas.
Wochenlang war man unterwegs, lebte von dem, was das Land hergab, jagte und wurde gejagt, tötete und wurde getötet. Im Busch begegnete man sich auf kürzester Distanz – gekämpft wurde mit Handfeuerwaffen und Mann gegen Mann. Mehr als einmal schaltete Rolf Gegner mit dem Messer aus.
Meistens töteten sie die Guerillas – manchmal drehten sie sie um, re-indoktrinierten sie und schickten sie zurück in den Busch, damit sie nun ihre früheren Freunde jagten.
Auch eine Möglichkeit, den Bock zum Gärtner zu machen.
Zum Schluss war’s egal.
Die Politiker in Salisbury und London hatten nicht die Eier zu kämpfen, und aus Rhodesien wurde »Simbabwe«. Sie verschleuderten das beste Land der Welt an einen Haufen schwarzer Kommunisten und Gangster.
Und wir sind in alle Winde verstreut. Einige hat es nach Südafrika verschlagen, auch so ein von Schwarzen regierter Saustall, andere sind in Australien oder Neuseeland gelandet.
Wildgänse.
Ronin.
Söldner.
Rolf verließ Rhodesien, bevor die Schwarzen an die Macht kamen. Auf seinen Kopf war eine Belohnung ausgesetzt, kein Wunder bei nachweislich
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