Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Kompresse, ein GU Energy Gel, drei Energieriegel und ein feststehendes Messer.
In der oberen Brusttasche hat er seinen »Spickzettel« verstaut, einen kunstoffbeschichteten Lageplan des Dorfs mit einem Grundriss des Anwesens auf der Rückseite, außerdem ebenfalls kunststoffbeschichtete Fotos der beiden Zielpersonen. In einem Kondom hat er dreihundert Dollar in Scheinen einstecken, falls er jemanden schmieren muss, um rauszukommen.
»Fünf Minuten.«
Alessandro spürt denselben Knoten im Magen wie vor einem Abfahrtslauf, seine Kehle ist genauso zugeschnürt, der Adrenalinrausch lässt sein Herz verkrampfen. Dafür lebt er. Bewaffnet mit einer HK MP5 mit EO-Leuchtpunktvisier und BX-Magnifier, ist er auf alles vorbereitet.
Alessandro mag dieses Gefühl.
Amir hält seine Kalaschnikow bereit, betet aber zu Gott, dass er sie nicht brauchen wird. Ihm ist bewusst, dass das Ziel der Mission die Ermordung zweier Muslime ist, er will es nur nicht selbst tun müssen. In seinem Leben hat er bislang nur Zionisten getötet – Juden –, und zwar ausschließlich Soldaten.
Vor dem Sterben hat er keine Angst – egal, was man ihm nachsagt.
So häufig, wie er mit dem Tod geflirtet hat, denkt er jetzt, wird es eines Tages eine Hochzeit geben müssen.
»Vier Minuten.«
Simon hofft, wie immer, dass er die Ausrüstung nicht brauchen wird, die er in sein STOMP – Special Operations Medical Backpack – gepackt hat – Verbandsmaterial, Kompressen, Beatmungstubus, Plasma und Morphium – genug, um einen Verwundeten am Leben zu erhalten, bis sie ihn wieder aufs Schiff verfrachtet haben. Hofft, dass er sein Wissen, sein Können und seine Erfahrung nicht brauchen wird. Hofft, dass es ein Spaß wird, Schwimmen gehen in einer Sommernacht am Strand. Trotzdem ist er bereit, Leben zu retten und Leben zu nehmen. Deshalb hat er das STOMP, aber auch eine HK53,eine Maschinenpistole mit zwei Magazinen zu je 25 Schuss dabei. Die HK53 hat er bereits in Nordirland eingesetzt, sie hatte ihm gefallen, und wenn die Sache hier schiefgeht und das Team überstürzt aus dem Dorf fliehen muss, will er wenigstens noch dazwischenfeuern, Verfolger abschrecken und den anderen Zeit verschaffen, die Schlauchboote zu besteigen.
Aber er hofft, dass das nicht passieren wird. Er wünscht sich eine ruhige Nacht.
Am allermeisten aber wünscht er sich in diesem Moment eine Zigarette.
»Drei Minuten.«
Michel wünscht, er wäre beim eigentlichen Überfall dabei, anstatt das Kommando vom Strand aus zu führen. Warten ist schlimmer als kämpfen, und er weiß, dass er möglicherweise innerhalb von Sekunden wichtige Entscheidungen wird fällen müssen. Kommandieren macht ihm nichts aus, das ist nicht das Problem, das Problem ist die Warterei. Die Disziplin aufzubringen, sich so gut es geht rauszuhalten und die Männer ihre Jobs machen zu lassen. Klug genug zu sein, um zu wissen, wann man eingreifen und befehlen muss.
Viel wird es wahrscheinlich nicht zu befehlen geben. Die Mission besteht jetzt größtenteils aus »automatisierten Abläufen« und müsste eigentlich relativ glatt über die Bühne gehen. Sollte es wider Erwarten zu Auseinandersetzungen am Strand kommen, hat er seinen FAMAS Bullpup-Karabiner dabei, der scherzhaft auch Le Clairon genannt wird – das Horn.
Er hofft, er wird ihn nicht brauchen.
Rolf hat nichts gegen ein bisschen Blutvergießen.
Das letzte Mal ist schon eine ganze Weile her.
Er hat eine abgesägte Remington 870 mit Schrotmunition Kaliber 12 geladen und außerdem, für alle Fälle, ein paar Hatton Rounds eingesteckt. Mit der Scheiße aus Wachs will er nichts zu tun haben – wer hinter der Tür steht, hat Pech gehabt.
Außerdem sein TOPS-Messer.
Die Flinte für die Arbeit auf kurze Distanz, die Klinge für den unmittelbaren Nahkampf Mann gegen Mann.
Je persönlicher, desto besser.
Einer der Slogans der israelischen Streitkräfte lautet: »Siegen und Mensch bleiben«. Eine gute Philosophie, denkt Lev, aber leichter gesagt als getan. Besonders in der Terrorabwehr. Wenn man Monster bekämpft, wird man leicht selbst eins.
Heute Abend hat er sich mit einem TAR-21 – alias Tavor – einem israelischen Bullpup bewaffnet. Bei einem Bullpup-Sturmgewehr liegen Verschluss und Magazin hinter dem Griffstück in der Schulterstütze, wodurch der Lauf im Verhältnis zu anderen Langwaffen relativ kurz ist, ohne dass die Treffsicherheit leidet. Auch wird die Silhouette des Kämpfers kleiner, was beim Einsatz auf begrenztem Raum von Vorteil ist.
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