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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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inzwischen wohl ein erwachsener Mann sein. War er es?«
    »Das wissen wir nicht, Sir«, sagte Bosch rasch. »Wir rollen den Fall neu auf, und in diesem Zusammenhang ist sein Name aufgetaucht. Deshalb müssen wir das nachprüfen. Das ist alles.«
    »Haben Sie die Gedenktafel gesehen?«, fragte Stoddard.
    »Wie bitte?«
    »Draußen im Flur ist eine Gedenktafel für Rebecca. Ihre Mitschüler haben Geld gesammelt und sie dort anbringen lassen. Sie ist sehr schön, aber auch sehr traurig. Aber sie erfüllt ihren Zweck. Die Leute hier erinnern sich an Rebecca.«
    »Die haben wir übersehen. Aber wir werden sie uns ansehen, wenn wir gehen.«
    »Viele Leute erinnern sich noch an sie. An dieser Schule mag man vielleicht nicht sehr viel verdienen, und die meisten Lehrer müssen einen zweiten Job annehmen, um über die Runden zu kommen, aber trotzdem haben wir ein ausgesprochen loyales und engagiertes Lehrerkollegium. Es sind noch mehrere Lehrer hier, die Rebecca als Schülerin hatten. Eine, Mrs. Sable, war in ihrer Klasse und kam dann zurück, um hier zu unterrichten. Bailey war übrigens sogar eng mit ihr befreundet, glaube ich.«
    Bosch sah Rider an, die die Augenbrauen hochzog. Sie hatten bereits darüber gesprochen, wie sie an Becky Losts Freundinnen herantreten würden, aber hier ergab sich von selbst eine Gelegenheit. Eine der drei Freundinnen, mit denen Becky Lost zwei Tage vor ihrem Verschwinden bei einer Freundin übernachtet hatte, hieß Bailey Koster.
    Es war mehr als nur eine Gelegenheit, eine Zeugin zu dem Fall zu befragen. Wenn sie nicht jetzt sofort mit Sable sprachen, würde sie wahrscheinlich durch Stoddard von Roland Mackey erfahren. Das wollte Bosch unbedingt vermeiden. Er wollte möglichst selbst bestimmen, welche Informationen im Zusammenhang mit dem Fall an die jeweiligen Beteiligten gelangten.
    »Ist sie heute hier?«, fragte Bosch. »Könnten wir mit ihr sprechen?«
    Stoddard sah zu der Wanduhr neben dem Schalter hoch.
    »Also, im Moment hat sie noch Unterricht, aber in zwanzig Minuten ist die Schule aus. Wenn Sie so lange warten wollen, können Sie bestimmt mit ihr sprechen.«
    »Überhaupt kein Problem.«
    »Dann lasse ich ihr eine Nachricht ins Klassenzimmer schicken, dass sie nach dem Unterricht ins Sekretariat kommt.«
    Mrs. Atkins, die Sekretärin, erschien hinter Stoddard.
    »Wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte Rider, »würden wir gern vor dem Klassenzimmer auf sie warten. Wir möchten nicht, dass sie sich unnötig beunruhigt.«
    Bosch nickte. Rider war auf derselben Wellenlänge wie er. Sie wollten nicht, dass Mrs. Sable vorher benachrichtigt würde. Sie wollten nicht, dass sie schon an Becky Lost dachte, bevor sie dabei waren und alles mitbekamen.
    »Natürlich«, sagte Stoddard. »Ganz, wie Sie wollen.«
    Er merkte, dass Mrs. Atkins hinter ihm stand, und fragte sie, was sie herausgefunden hatte.
    »Wir haben nichts über einen Schüler namens Roland Mackey«, sagte sie.
    »Sind Sie auf jemanden mit diesem Nachnamen gestoßen?«, fragte Rider.
    »Ja, ein Gregory Mackey war 1996 und 1997, also zwei Jahre, hier.«
    Es war nicht auszuschließen, dass es sich dabei um einen jüngeren Bruder oder Cousin handelte. Möglicherweise würden sie dem nachgehen müssen.
    »Könnten Sie nachsehen, ob Sie eine aktuelle Adresse oder Telefonnummer von ihm haben?«, fragte Rider.
    Mrs. Atkins sah Stoddard fragend an, worauf er nickte. Sie verschwand, um nachzusehen. Bosch sah auf die Wanduhr. Sie mussten noch fast zwanzig Minuten totschlagen.
    »Mr. Stoddard, gibt es Jahrbücher aus den späten Achtzigern, die wir uns ansehen könnten, während wir auf Mrs. Sable warten?«
    »Aber natürlich. Ich bringe Sie in die Bibliothek und suche sie Ihnen raus.«
    Auf dem Weg zur Bibliothek zeigte ihnen Stoddard die Gedenktafel, die Rebecca Losts Mitschüler im Flur hatten anbringen lassen und auf der außer Namen und Geburts- und Todesdatum nur das jugendliche Versprechen stand: WIR WERDEN IMMER AN DICH DENKEN.
    »Sie war ein ausgesprochen nettes Mädchen«, sagte Stoddard. »Sehr engagiert. Wie übrigens auch ihre Eltern. Eine wahre Tragödie.«
    Mit dem Hemdsärmel wischte Stoddard den Staub von dem laminierten Foto der lächelnden Becky Lost auf der Gedenktafel.
    Die Bibliothek war gleich um die Ecke. Da der Schultag zu Ende ging, hielten sich dort nur wenige Schüler auf. Sie saßen entweder an den Tischen oder stöberten in den Regalen. Stoddard forderte sie flüsternd auf, an einem Tisch Platz zu nehmen, und

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