Vergiss nicht zu atmen
mich wie betäubt und fand mich dabei wieder, wie ich in der Lobby auf und ab ging. Ich dachte über all die Dinge nach, die anders hätten laufen können. Wenn wir nicht zu dieser Party gegangen wären. Wenn wir uns im September nicht wieder getroffen hätten. Wenn ich ihn letzten Februar nicht betrunken angerufen hätte. Wenn er nicht so ausgerastet und auf die Patrouille geschickt worden wäre. Wenn wir uns gar nicht erst getroffen und verliebt hätten.
Es war zu viel. Es gab zu viele Dinge, die hätten anders laufen können. Und niemand wusste, was dann gewesen wäre. Was ich wusste war, dass ich Dylan liebte. Und ich würde um ihn kämpfen.
Ich seufzte. Hin und her laufen würde mir nur schaden. Und vermutlich machte ich die Anderen damit nur verrückt. Ich ging zu einer der Bänke und setzte mich zwischen Sherman und Kelly.
„Also Sherman… Wie sind deine Pläne? Ich weiß du bist hergekommen um Dylan zu besuchen und der Besuch ist wohl ziemlich anders verlaufen, als gedacht.“
Er gähnte und sah zur Decke hoch.
„Ich bin mir noch nicht sicher“, antwortete er. „Ich habe ein paar Wochen mit meinen Eltern verbracht, nachdem ich nach Hause kam, aber wir machten uns nur gegenseitig verrückt. Also kam ich hier runter, und dachte ich könnte etwas Zeit mit Dylan verbringen und schauen wie die Columbia-Uni so ist. Aber… ich werde mein Studium beenden. Irgendwo.“
Er sah mich schräg von der Seite an und sagte dann: „Ich dachte eventuell an Texas.“
„Oh wirklich?“ fragte ich.
„Ja. Rice klingt nach einer guten Uni. Und ich habe eine Doktorandin von dort kennen gelernt, die sehr viel daran gesetzt hat, mich davon zu überzeugen.“
Ich grinste. „Ihr Zwei versteht Euch echt gut.“
„Ich hatte nicht damit gerechnet“, sagte er.
Ich lachte kurz auf. „Ich bin sicher, sie auch nicht.“
Er kicherte. „Carrie sagte, die Typen in ihrem Studiengang hätten Angst vor ihr.“
„Das wundert mich nicht“, antwortete ich. „Ich hatte auch schon immer Angst vor ihr.“
Er sah mich verdutzt an, seine Augenbrauen hatte er so hoch gezogen, dass sie sich fast berührten. „Warum?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß auch nicht. Sie ist immer so… perfekt. Studium, Leben, Kleidung. Carrie war immer etwas Besonderes, besser. Ich bin etwas bodenständiger.“
„Na ja, du kannst nicht durch dein Leben gehen und denken, dass andere Leute besser sind als du. Schau dir Dylan an – “
Er bracht abrupt ab.
„Wie meinst du das, schau dir Dylan an?“
Er runzelte die Stirn und sagte dann: „ Sieh mal. ich sollte darüber eigentlich nichts sagen. Er wird mich dafür umbringen. Aber du musst verstehen, dass er niemals geglaubt hat, gut genug für dich zu sein.“
Was? Nein. „Das ist nicht wahr.“
Er nickte. „Doch das ist wahr. Gott, du hast ja keine Ahnung wie viel er in Afghanistan über dich gesprochen hat. Ohne Pause. Nimm es mir nicht übel, aber es war ziemlich anstrengend. Aber er hat immer gesagt, dass er seit dem Moment, als Ihr Euch kennen gelernt habt, dachte du ständest weit über ihm. Und er zählte die Gründe dafür auf. Du bist reich, er ist arm. Du kommst aus einer erfolgreichen Familie. Dein Vater ist Botschafter oder so etwas, richtig?“
Ich nickte.
„Über solche Sachen sprach er. Sein Vater ist ein Alkoholiker und er hatte immer Angst, dass er einmal genauso endet. Also zählte er das alles zusammen und kam zu dem Ergebnis, dass er nicht gut genug für dich ist. Das hat er immer geglaubt. Und Afghanistan hat das nur noch verschlimmert.“
Ich schüttelte den Kopf. „Das stimmt aber nicht. Ich meine… ja unsere Familien sind verschieden. Aber das bedeutet doch gar nichts. Es geht nicht um unsere Eltern oder darum wie viel Geld man hat. Es geht um einen selbst und wer man ist.“
„Tja, versuch du ihn davon zu überzeugen. Ich habe es niemals geschafft.“
„Das werde ich, wenn er mir eine Chance gibt.“
Kelly sagte trocken: „Lass ihn an deinen Socken riechen. Dann kapiert er es.“
Joel unterdrückte ein Lachen und hustete stattdessen nicht überzeugend.
„Danke, dass Ihr heute alle mitgekommen seid.“ sagte ich sehr ruhig.
„Fang nicht damit an“, sagte Kelly. „Dafür sind Freunde da.“
Ich lächelte sie an. Sie konnte mir den ganzen Tag sagen, das Freunde so etwas taten, aber da wo ich aufgewachsen bin, traf das nicht zu. Ich hatte keine Freunde, die für mich vor Gericht ziehen würden. Oder ins Gefängnis gingen. Oder sonst
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