Verheißene Erde
unternahmen Reisen, die drei Jahre währten, und kehrten zurück mit Ladungen von Gold und Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen; und einmal rüstete König Josaphat eine gewaltige Flotte, um das Gold von Ophir zurückzubringen, »aber sie fuhren nicht, denn die Schiffe erlitten bei Ezion-geber Schiffbruch«.
Es klang alles so wirklich, die Flotten, die Reisen, das Gold. »Und wo lag dieses Ezion-geber?« fragte Infant Heinrich seine Weisen. »Es war die Stadt, die wir heute als Eilath kennen«, antworteten sie, »sie liegt an der Nordseite des Roten Meeres.« Als Heinrich seine Landkarten zu Rate zog, war es klar, daß die biblischen Schiffe südwärts nach Afrika gelangen konnten. So lag also irgendwo entlang der Ostküste von Afrika dieses Ophir, unermeßlich reich und zweifellos in tiefstem Heidentum. Es war eine Christenpflicht, es zu retten.
Und nun, im Jahr 1453, hatte sich diese Verpflichtung noch verdreifacht. Da Konstantinopel sich in den Händen der Moslems befand und die gewinnbringenden Handelswege nach dem Osten permanent abgeschnitten waren, erwies es sich als unbedingt notwendig, daß Afrika für das Christentum gerettet wurde, damit Schiffe um seine Südspitze direkt nach Indien und China segeln konnten. Dann könnten die Soldaten Jesu Christi Ophir von den Moslems befreien und sein Gold zivilisierten Zwecken zuführen. Wo aber lag Ophir?
Während Infant Heinrich in Sagres vor sich hin brütete, Pläne schmiedete, ständig seine zögernden Kapitäne anspornte, das Kap zu suchen, von dem er wußte, es müsse die Südspitze Afrikas darstellen, nahmen die Ereignisse an einem kleinen See in dieser Region eine interessante Wendung. Zu dem unbekannten Dorf am Südufer dieses Sees mit seinen Rundhütten aus Stroh und Schlamm kam eine Schar lärmender Kinder, die schrien: »Er kommt! Der Alte Sucher kommt wieder!« Und alle schwarzen Einwohner kamen heraus, um den alten Mann zu begrüßen, der träumte. Als der Zug der Neuankömmlinge den Rand des Dorfes erreichte, hielt er an, um dem Alten Sucher Zeit zu lassen, seine Kleidung zu ordnen. Dann nahm er aus einem Sack, den einer seiner Diener trug, einen von einem Büschel Straußenfedern gekrönten Eisenstab. Mit diesem stattlichen Stab in der linken Hand machte er zwei Schritte vorwärts, warf sich dann zu Boden und rief von dieser Stellung aus: »Großer Häuptling, ich wünsche dir einen guten Morgen!«
Aus der Menge der Dorfbewohner trat ein etwa fünfzigjähriger Mann vor und nickte ihm zu: »Alter Sucher, ich wünsche dir einen guten Morgen.«
»Großer Häuptling, hast du gut geschlafen?«
»Wenn du gut geschlafen hast, habe auch ich gut geschlafen.«
»Ich habe gut geschlafen, großer Häuptling.« Der so Angesprochene mußte, ebenso wie die übrigen, die Ironie in diesen Worten erkannt haben, denn er war in keiner Hinsicht ein großer Häuptling. Aber das Protokoll forderte, daß er so angesprochen wurde, besonders dann, wenn der ins Dorf kommende Mann Vorteile suchte.
»Du kannst dich erheben«, sagte der Häuptling, worauf sich der Alte Sucher aufrichtete, seinen Eisenstab in einer Hand, die andere auf das Handgelenk gelegt, und seinen pulvergrauen Kopf auf beide stützte. »Was begehrst du diesmal?« fragte der
Häuptling, und der Alte antwortete ausweichend: »Die Güte des Bodens, die Geheimnisse der Erde.« Der Häuptling nickte feierlich, und die formelle Begrüßung war beendet. »Wie war die Reise nach Süden?« fragte er.
Der Alte reichte den Stab einem Diener und flüsterte: »Jedes Jahr schwieriger. Das ist mein letzter Besuch in deinem Gebiet.«
Häuptling Ngalo begann zu lachen, denn diese Drohung hatte der Alte bereits vor drei Jahren ausgesprochen und vier Jahre vorher auch schon. Er war ein freundlicher, duldsamer alter Gauner, der früher als Bergwerksaufseher in einem großen, im Norden gelegenen Königreich gedient hatte. Jetzt suchte er weit außerhalb der Länder seines Herrschers nach weiteren Minen. Dabei beobachtete er entfernte Siedlungen und forschte nach immer neuen Handelsbeziehungen. Er war eine Art freier Gesandter, ein Forscher - ein Sucher.
»Warum kommst du in mein armes Dorf?« fragte Häuptling Ngalo. »Du weißt doch, daß wir keine Bergwerke haben.«
»Ich komme mit einem ganz anderen Auftrag, lieber Freund. Salz.«
»Wenn wir Salz hätten«, sagte Ngalo, »könnten wir mit der Welt Handel treiben.«
Der Alte seufzte. Er hatte erwartet, enttäuscht zu werden, aber sein Volk brauchte Salz. Er suchte
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