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Verheißene Erde

Verheißene Erde

Titel: Verheißene Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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sich völlig. Bisher war er ein theoretisierender Collegeprofessor gewesen, nun wurde er ein Mensch, der über ihm persönlich zugefügtes Unrecht klagte: »Im Zuge ihrer Politik, Mr. Saltwood, bestehen sie darauf, daß wir Zulu, denen es in Orten wie Vrymeer und Venloo gutgeht, alles zusammenpacken, was wir besitzen, alle unsere Freunde und unsere Lebensweise aufgeben, und in einen Teil ihres KwaZulu ziehen.«
    »Ich dachte, Sie sagten, es sei Ihr Bantustan.«
    »Wir wollen es nicht. Es war nie unsere Idee.«
    »Sie sollen evakuiert werden?«
    »Ja, als ob eine Seuche in unserem Land ausgebrochen wäre. Als ob Heuschrecken unsere kleinen Felder kahlgefressen hätten und wir weiterziehen müßten.«
    Als Saltwood ihm entgegnete, daß er sicherlich nur einen Teil der Geschichte erzählte, gab ihm der Professor völlig recht: »Das stimmt tatsächlich. Und ich habe Sie aufgesucht, weil ich wissen wollte, ob Sie nicht den anderen Teil kennenlernen wollen.«
    »Natürlich will ich das.« Philip Saltwood handelte nach dem Prinzip, nach dem sich viele junge Wissenschaftler heutzutage richten, die überall in der Welt arbeiten: Ob sie Amerikaner oder Russen, Chinesen oder Australier sind, sie wollen wissen, was sich in den Ländern abspielt, in denen sie im Augenblick beschäftigt sind, und sie entfernen sich oft von ihren eigentlichen Aufgaben und untersuchen Möglichkeiten, die im Augenblick weit entfernt scheinen, die später aber vielleicht höchst bedeutsam werden konnten.
    Mit Nxumalo als Führer fuhr Philip nach Johannesburg, wo sie unauffällig durch die schönen Hauptstraßen dieser blühenden Stadt spazierten, die an Amerika erinnerte. Da es vier Uhr nachmittags war, waren die Geschäftsviertel voller Menschen, die Hälfte davon Schwarze. Sie waren Arbeiter und Boten, Angestellte und untergeordnete Beamte, Einkäufer und Müßiggänger, und sie hätten alle ebensogut in Detroit oder Houston leben können. »Sehen Sie sich die Menschen an«, sagte Nxumalo mit einem gewissen Stolz. »Sie erhalten diese Stadt am Leben.«
    Um Viertel vor fünf führte er Philip in die Umgebung des Hauptbahnhofs, und in der nächsten Stunde sah Saltwood etwas, das so erschütternd war, daß man es kaum glauben konnte: Aus allen Teilen Johannesburgs strömten schwarze Männer und Frauen zusammen, mehr als eine halbe Million drängte sich in die Züge, um die Stadt vor Sonnenuntergang zu verlassen, denn dann war es ihnen verboten, sich dort aufzuhalten. Diese Völkerwanderung erschien ihm so ungeheuer, daß er nicht wußte, womit er sie vergleichen sollte.
    Nach einer Stunde dachte er: Wenn ich diese Schwarzen betrachte, sehe ich alle Berufe einer Großstadt. Da gibt es Straßenkehrer    und junge Männer    mit    Aktenmappen,
    Schafmetzger    und junge Frauen, die    als    Arzthelferinnen
    arbeiten, Bierkutscher und untergeordnete Angestellte. Sie alle werden aus der Stadt gejagt.
    »Haben Sie    Lust    zu sehen, wohin    sie    fahren?« fragte
    Nxumalo, als könnte er Philips Gedanken lesen. »Das ist doch verboten, oder?«
    »Ja, für Weiße ist es gesetzwidrig, aber es läßt sich machen.« Es war die    Art    von Herausforderung,    der sich ein
    umherziehender Wissenschaftler oft gegenübersah: Fremde dürfen diesen Tempel nicht betreten, er ist Schiwa geweiht. Oder: In diesen Teil von Afghanistan dürfen Sie nicht, er liegt zu nahe an der russischen Grenze.
    Aber die Wagemutigen ließen sich nie abhalten, und nun war Philip unterwegs zu einem geheimen Besuch in Soweto, einer eigentlich nicht existierenden Stadt mit mindestens eineinhalb Millionen schwarzen Einwohnern. Ihr offizieller Name lautete »South Western Townships«, wobei der Kurzname aus den ersten beiden Buchstaben jedes Wortes gebildet wurde. Während sie die zwanzig Kilometer dorthin fuhren und Züge sie in planmäßiger Folge überholten, jeder vollgestopft mit Arbeitern, von denen manche auf den Trittbrettern stehen mußten, sagte Nxumalo: »Es ist wie in Venloo. Die Afrikander glauben tatsächlich, daß in ihren nur für Weiße bestimmten Städten keine Schwarzen leben. Sie glauben, daß wir dort bei Tage arbeiten und dann verschwinden. Das vor uns liegende Soweto existiert offiziell nicht. Die anderthalb Millionen Menschen, die dort leben - die Hälfte von ihnen illegal -, sind nicht wirklich dort. Sie sollen dort vorübergehend schlafen, während sie in der Stadt arbeiten. Wenn sie aber ihre Stellung verlieren, müssen

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