Verheißene Erde
denen sich dem Beobachter tiefe Einblicke in den schwerfälligen Geist der Afrikander auftaten. Philip stellte fest, daß die meisten dieser
Witze von Afrikandern erzählt wurden, während die Engländer lediglich die wirklich bösartigen und gemeinen beisteuerten.
Nachdem Frikkie, Jopie und Sannie je ein halbes Dutzend Witze erzählt hatten, von denen manche recht grob mit ihren Landsleuten umgingen, wandten sie sich an Philip und fragten ihn, welcher ihm am besten gefiel. »Mir gefällt besonders der eine, den ich bei den Grabungen gehört habe. >Was haben die Zahlen 1066, 1492 und 1812 gemeinsam?<« Als Sannie meinte, es seien geschichtlich wichtige Daten, antwortete Philip: »Falsch. Es sind benachbarte Zimmer in van der Merwes Motel.« Dann fragte er: »Warum erzählt ihr solche Witze?«, und jeder von den dreien hatte seine eigene Erklärung. Frikkie war der Ansicht, daß alle vom ländlichen Leben geprägten Menschen zwei Arten von Schwänken bevorzugten: »Die einen nehmen das Leben und die Sitten auf dem Lande aufs Korn, die anderen den Bauerntölpel. Bei ersteren lachen wir meist über den dominee und die Herrschaft der Kirche. Bei den zweiten lachen wir über uns selbst. Ich bin sicher, daß man die gleichen Witze auch im ländlichen Deutschland oder Norwegen hört.« Jopie hatte eine ganz andere Theorie: »Wir wissen, daß die Engländer über uns lachen. Also kommen wir ihnen zuvor und machen es besser.« Sannie dachte wieder anders: »Wir tun es aus Zuneigung. Jeder von uns hat irgendwo in seiner Familie einen Koos van Merwe. Er kommt nie genau ins Bild. Aber wir lieben ihn dennoch. Aus wieviel Teilen besteht van der Merwes Puzzlespiel? Aus zwei.« Als Sannie das sagte, brach Jopie in schallendes Gelächter aus, das in keinem Verhältnis zur Qualität des Witzes stand. Frikkie sah ihn an und fragte: »Bist du übergeschnappt?«
»Nein! Mir ist nur zufällig etwas schrecklich Komisches eingefallen.« Als sich ihm die anderen drei zuwandten, sagte er: »Ich war in Pretoria, als Andy Young und seine Mitarbeiter dort Reden hielten und Interviews über die Rechte der Schwarzen in Südafrika gaben. Und ich platzte vor Lachen.«
»Warum?« fragte Saltwood befremdet. »Young ist manchmal recht vernünftig.«
»Zugegeben. Aber nicht an diesem Tag. Denn es fiel mir plötzlich ein, als ich Gelegenheit hatte, ihn anzusehen. Wissen Sie, er ist gar nicht schwarz. Auch seine Mitarbeiter waren es nicht. Ich habe nie einen schwarzen Amerikaner gesehen. Alle, die hierherkommen, sind Farbige.« Hier bekam er einen Lachkrampf, in den Frikkie einen Augenblick später einstimmte. Die beiden Athleten stießen einander an und erstickten fast vor Vergnügen. »Ich komme da nicht ganz mit«, sagte Philip.
»Verstehst du denn nicht?« erklärte Sannie, während ihre beiden Verehrer versuchten, sich zu beherrschen. »Wenn Andy Young und eure anderen schwarzen Führer anstatt in Amerika in Südafrika lebten und wenn sie bekämen, was sie wollen -ein Mann, eine Stimme -, und die Schwarzen an die Regierung kämen, wären Andy Young und seine Bande als erste erledigt.«
»Augenblick mal!« fuhr Philip sie an. Als loyaler Amerikaner fühlte er sich verpflichtet, Präsident Carter und den ehemaligen UN-Botschafter Young zu verteidigen, wenn sie angegriffen wurden, was in Südafrika beinahe täglich der Fall war. »Ich bin mit Andy nicht einverstanden, wenn er aus der Hüfte schießt, aber in bezug auf die grundlegenden Fragen der afrikanischen Politik hat er recht.«
»Wie sollte er?« fragte Frikkie. »Ein Mann, eine Stimme?«
»Ich meine seine Ansicht über den Kontinent als Ganzes. Es gibt höchstens drei Millionen Afrikander, jedoch mindestens dreihundert Millionen Schwarze. Sollen wir euch wenige gegen so viele unterstützen?«
»Natürlich solltet ihr, da unsere Interessen die gleichen sind wie eure«, sagte Frikkie.
»Aber was meinten Sie damit, daß Young in Gefahr wäre?«
»Mein lieber dummer Amerikaner«, sagte Frikkie und zwinkerte Jopie zu, »wissen Sie nicht, daß Zulu, Xhosa, Fingo, Pondo - sie alle - die Farbigen noch mehr hassen als die Weißen?«
»Warum?«
»Weil sie wissen, daß sich die Farbigen, wenn Entscheidungen getroffen werden, auf die Seite der Weißen stellen. Sie gelten als Verräter an der Sache der Schwarzen.«
»Sie haben vielleicht davon gehört«, mischte Jopie sich ein. »Als die Schwarzen in Paarl einen Aufruhr anzettelten, gab es mehrere Tote. Die Farbigen rührten keinen Finger, um
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