Verheißene Erde
nirgends in Schwarzafrika auftanken durften. Eine ausschließlich aus Weißen bestehende Besatzung nahm ihre Plätze ein - in einem Land, das zu achtzig Prozent nichtweiß war, und nach dem feierlichen Abschied verließ wieder eine Familie das Land; ihre Kinder würden nie in ihre Heimat zurückkehren, die ihre Mitarbeit so dringend brauchte. Als das Flugzeug abhob, sagte Jopie: »Die Engländer - sie landen als letzte und fliehen als erste.« Und Frikkie meinte: »Ein kluger Bauer jätet seinen schwachen Mais aus.« Sie machten keinen Versuch, ihre Verbitterung zu verbergen.
Sie wären vermutlich noch empörter gewesen, wenn sie zufällig die nicht flugplanmäßige Boeing am anderen Ende des Flughafens erblickt hätten, zu der im Lauf einer Stunde eine Reihe von kleinen Autos kamen. Über diese Maschine wurden keine Meldungen über die Lautsprecher durchgegeben; keine Stewardessen in Uniformen eilten durch den Flughafen, um sie anzukündigen. Sie füllte sich in aller Stille mit Passagieren, rollte ebenso still zum entfernten Ende der Startbahn, hob ohne jedes Aufsehen ab, zog einen Kreis und machte sich auf den langen Weg nach Südamerika. Sie beförderte einhundertachtzig Geschäftsleute und Farmer nach Rio de Janeiro und Sao Paulo, zumeist Afrikander, die mit ihren Frauen Farmgebiete im Landesinneren besichtigten, im Hinblick auf den Tag, an dem sie vielleicht Südafrika verlassen wollten. Von diesen Passagieren gefiel es dreiundvierzig Familien so gut in Brasilien, daß sie Übereinkommen für den Ankauf von großen fincas trafen, die sie für den Tag, an dem sie gebraucht würden, in Reserve hielten. Die anderen wollten sich erst später entschließen. Das geheimnisvolle Flugzeug sollte auf seinem nächsten Flug Afrikander- und englische Ärzte nach Australien bringen, die sich beim dortigen Ärzteverband eintragen ließen, um sich einen Zufluchtsort zu sichern, wenn es zum Krach kam.
Am 30. Mai erschien Laura Saltwood in der schwarzen Schule in Transvaal, wo sie feststellte, daß die Reklame für ihren Besuch etwa dreißig bis vierzig schwarze Schuldirektoren und leitende Beamte veranlaßt hatte, beträchtliche Entfernungen zurückzulegen, um sie zu hören. Sie wußten, daß sie eine bemerkenswerte Frau war, die in aller Stille für eine gute Sache arbeitete. Sie war als vernünftig und furchtlos bekannt, und sie wußten, daß sie nicht die weite Fahrt unternommen hätte, wenn es nicht um etwas Wichtiges gegangen wäre.
Obwohl sie ihre Rede genau aufgeschrieben hatte, da sie ahnte, daß es ihre wichtigste und vielleicht auch ihre letzte war, benutzte sie ihre Notizen nicht, sondern sprach frei. Sie kündigte ihr Thema an: »Die Sprache, einer der lebendigsten Gegenstände der Welt« und zerstreute sogleich die Befürchtungen der älteren Konservativen, indem sie das Afrikaans lobte:
Wie Sie aus dem Alten Testament wissen, haben Südafrika und Israel viel gemeinsam, besonders die Entschlossenheit, eine neue Sprache zu schaffen und durchzusetzen. Israel griff auf das alte Hebräisch zurück. Südafrika verwendete das klassische Holländisch und fügte eine Fülle neuer Wörter und
Wortkombinationen hinzu und nahm Änderungen in der Orthographie vor.
Niemand sollte sich über Afrikaans lustig machen, weil es gedrängte Konstruktionen verwendet. Die Größe der englischen Sprache liegt darin, daß sie die beispielsweise im Deutschen geläufigen Deklinationen ausgemerzt hat. Ein deutscher Purist könnte daraus durchaus das Recht ableiten, Englisch geringschätzig als Verfallsprodukt zu bezeichnen, ebenso wie Holländer verächtlich sagen, daß Afrikaans eine Verflachung ihrer Hochsprache sei. Das ist ungerecht. In zwei Jahrhunderten wird Afrikaans vielleicht eine bedeutende Sprache und Holländisch verschwunden sein, weil Afrikaans einfachen Bedürfnissen entspricht und somit eigene Vitalität entwickelt.
Die unruhigeren jungen Lehrer waren über die versöhnliche Einleitung enttäuscht, und ein Geschichtslehrer flüsterte: »Sie könnte als Sprecherin für die Afrikander-Universitäten auftreten.« Doch dann kam sie zum Kern ihrer Botschaft:
Vor den Unruhen in Soweto im Jahr 1976 wurde den schwarzen Kindern Südafrikas geraten, sie sollten, da ihre Zukunft in diesem Land liege, als zweite Sprache nicht Englisch wählen, sondern Afrikaans. Und es wurde ihnen befohlen, in der Hälfte ihrer Stunden Afrikaans als Unterrichtssprache zu verwenden, während sie offensichtlich lieber nur Englisch gesprochen
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