Verheißene Erde
Land geschickt, denn als Geächtete wäre es ihr untersagt gewesen, mit ihnen zusammenzutreffen, und sie wollte ihnen diese schmerzliche Erfahrung ersparen.
Wenn jemand sie besuchte, mußte sie die Tür offenstehen lassen, damit die Polizei und sogar Fremde sich vergewissern konnten, daß sie keine Versammlung abhielt. Wenn mehrere Personen zu ihrem Haus kamen, mußten sie auf Stühlen im
Freien sitzen, damit jeder sehen konnte, daß sie nicht alle gleichzeitig mit Laura sprachen.
Da sie nie erfuhr, welche Beschuldigungen gegen sie erhoben worden waren, hatte sie keine Möglichkeit, die Ächtung zu verhindern oder sich zu rechtfertigen. Etwa achtzig oder neunzig untergeordnete Beamte hatten das Recht, den höheren Behörden die Namen jener Personen anzugeben, die ihnen mißfielen, aber die Opfer erfuhren nie, wer die Ankläger waren oder was sie gestört hatte. In Lauras Fall lag der Schwerpunkt auf dem Bericht des von der südafrikanischen Regierung in London unterhaltenen Geheimdienstes:
Unser Agent 18-52 folgte Mrs. Saltwood nach Cambridge, wo ihr Bruder vor seiner Flucht nach Moskau der kommunistischen Partei beigetreten war; dort besuchte sie sein altes College Clare’s; dann begab sie sich zum Ufer des Cam und zum King’s College, wo sich ihr einmal ein Kurier in einem langen Mantel näherte. Er ging zu einem Telefon und näherte sich ihr ein zweitesmal mit Botschaften, die nicht gehört wurden.
Von dieser Ächtung konnten nur bestimmte Gruppen von Bürgern betroffen werden: Journalisten, Schrif t steller,
Geistliche, die von den Geboten der holländisch-reformierten Kirche abwichen, agitierende Frauen und natürlich jeder Schwarze, der Anzeichen von Führungsqualität erkennen ließ. Es gab keine lange Gerichtsverhandlung, keine Publizität und keine unangenehmen Erklärungen der Angeklagten bei ihrer Verteidigung. Dieses Verfahren war in den Augen der Regierung sauber, wirkungsvoll und endgültig.
In der dritten Nacht ihrer Ächtung war Laura Saltwood nicht überrascht, als um vier Uhr morgens eine Bombe vor ihrer Tür explodierte. Wenn die Regierung eine Person wie Mrs. Saltwood für ausgestoßen erklärte, wurde sie zu einer schutzlosen Zielscheibe für jeden Strolch in der Umgebung, und die Polizei unternahm wenig, um den Pöbel davon abzuhalten, die Häuser von Geächteten zu bombardieren oder anzuzünden. In den letzten Jahren waren sechshundertsiebzehn derartige Anschläge erfolgt, und kein einziges Mal hatte die Polizei die Schuldigen ausgemacht. Die Behörden erklärten immer: »Das Legen von Bomben ist eine strafbare Handlung. Es werden alle Anstrengungen unternommen, die Verantwortlichen zu ermitteln.« In manchen Fällen, wie auch in dem von Mrs. Saltwood, enthielten Bombensplitter Seriennummern, die den an die Polizei ausgegebenen entsprachen, aber auch den besten Detektiven im Land war es unmöglich, die Täter zu finden. Sie konnten eine einzelne Füllfeder aufspüren, die von einer Kirche in Genf ins Land geschickt wurde, und jede Person ausfindig machen, die sie in der Hand gehabt hatte, bevor sie den Weg zu einem schwarzen Studenten fand, aber sie waren nicht imstande, die Spur einer Bombe zu verfolgen, deren Seriennummer ihren Herstellungsort, ihre Bestimmung und den Namen desjenigen angab, der sie übernommen und dafür unterschrieben hatte.
Viele der vorhergehenden Anschläge hatten zu katastrophalen Bränden geführt, bei mehreren hatte es Verletzte und bei zweien Tote gegeben, aber nie wurde auch nur ein Verdächtiger genannt, geschweige denn verhaftet. In Mrs. Saltwoods Fall zerstörte die Bombe eine Tür und hinterließ einen deutlichen Brandfleck auf dem Türpfosten, aber das war auch schon alles. Was die nächste anrichten würde, konnte man nicht wissen. Sicher war nur, daß es einen weiteren Anschlag geben würde, den die Polizei untersuchen und den die Beamten in Pretoria mit Bedauern zur Kenntnis nehmen würden.
Das Schlimmste an Laura Saltwoods Ächtung war jedoch, daß am Morgen des Tages, an dem die fünf Jahre abgelaufen waren, dieselben Männer vor ihrer Tür erscheinen und ruhig sagen konnten: »Laura Saltwood, Sie sind für weitere fünf Jahre geächtet«, und danach konnten noch weitere fünf und nochmals fünf folgen.
Deshalb hatten die Mitglieder vom Lady Anne Barnard Club geweint, als sie an jenem ersten Juni von ihr Abschied nahmen. Sie befürchteten, daß ihre Kameradin nie wieder frei sein würde.
Bei seinen Diskussionen mit jungen Afrikandern war
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